Montag, 23. Januar 2006

welche sprache noch sprechen?

Wir hatten versucht, das Thema am Freitag beiläufig abzuhandeln. Wir hatten versucht, am Samstag business as usual vorzuspiegeln. Doch gestern konnten wir die Maske der journalistischen Distanz, ohnehin nicht unsere Stärke, nichtmehr aufrecht erhalten.

Der Bökelberg wird abgerissen. Er wird wirklich abgerissen. Jetzt, während ich dies schreibe. Jetzt, während unsere Leser dies lesen. Lärmend, staubend setzen ihm Bagger und Bohrer zu, schon steht die Südtribüne kaum noch, die charmanten Grashalme auf den Stufen der Ränge sacken ein und werden bestenfalls auf einer Schutthalde noch einmal zu wachsen anfangen.

Kann man in diesem Land noch leben? Dass wir uns nicht falsch verstehen: Der Borussia ist kein Vorwurf zu machen, sie hat lange am einzigen erträglichen "BB" Deutschlands festgehalten. Auf einem Denkmal statt in einem Stadion zu spielen, war praktisch schon in den Siebzigern, spätestens in den Achtzigern ein Nachteil, der es Teams wie den Bayern mit ihrem Olympiastadion und den entsprechenden kommerziellen Verwertungsmöglichkeiten erst möglich machte, der Liga zu enteilen. Wenn wir die Fohlen jemals international sehen wollen, dann ist es richtig, ein neues Stadion zu bauen. Und Gladbach hat dies behutsam getan, unter Einbindung der Fans in die Planung und: selbst finanziert. Das alles ist in Ordnung, sogar sympathisch, und darum ist Borussia eben auch Borussia, ist VfL nun einmal VfL.

Aber was tut die Stadt? Sie reißt den Bökelberg ab, ein Museum, einen Wallfahrtsort, eine Heimat für so viele Menschen weit über die Grenzen des Niederrheins hinaus. Kaltherzig. Aus Profitgier, um Mietshäuser bauen zu lassen, wo einst Meisterschaften gefeiert wurden. Jaja, es war klar, seit Monaten, Jahren. Aber heute ist es kein Gedankenspiel mehr, heute fällt die Nordkurve. Ich trauere. Und ich erwäge, dieses Land zu verlassen.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hallo fast auswanderer,

keine ahnung wo die info her ist,
aber mietshäuser hab ich
bislang nicht gehört bzw. -lesen.
vielmehr sollen dort
einfamilienhäuser gebaut werden,
vielleicht wandert er
ja nach mg-actiontown aus
und siedelt sich
am bökelberg an.
alternativen gibts es ja ...

fun and sun

pri and sac

Anonym hat gesagt…

Dann geh doch ins Ausland ;-)))

Jan

Martin hat gesagt…

Ich gebe zu, dass mit den Mietshäusern habe ich auch nur der Alliteration wegen geschrieben... Aber sind denn Einfamilienhäuser ein Trost?!

Anonym hat gesagt…

Man sollte seine Kraft nicht daran verlieren, etwas hinterher zu trauer, was beschlossene Sache ist, war und nicht aufzuhalten sein wird.

Lass uns lieber den Charme des Bökelbergs zumindest in der Nordkurve des Borussia Parks weiter leben.

Es gibt durchaus eine humane Zweckgemeinschaft zwischen Kommerz und Fankultur.

Dabei lautet die wichtigste Regel, sich gegenseitig zu akzeptieren und vor allem zu respektieren.

Anonym hat gesagt…

lieber martin,

ich bin seit 24 jahren vfl fan und trauere dem berg natürlich auch nach.

aber der staat bzw. die kommunen sollen den bürgern dienen, von daher geht es hier nicht um profitgier, im gegenteil wäre es betrug der bürger und massive steuerverschwendung, ein altes stadion vor sich hin gammeln zu lassen, statt den baugrund sinnvoll zu nutzen. statt steuergelder zu verballern lieber geld einnehmen.

das ist absolut korrekt. hätten die gladbach-fans halt ein paar millionen sammeln müssen, um den berg als denkmal zu erhalten. wärst du bereit gewesen, auch nur 5000 euro dafür springen zu lassen?

na also.

bei aller sentimentalität ist es nun wirklich nicht die aufgabe des staates bzw. der kommunen, fankult zu pflegen.

lg,
konrad