Montag, 31. Juli 2006
den papst in der tasche
Die neue Saison beginnt in Bälde und allenthalben legen Sportartikelhersteller neue Trikots auf, um an Ihr Geld zu kommen. Eine durchschaubare Masche, die "billig" zu nennen allein deshalb fehl am Platze ist, weil die feilgebotenen Pseudofetische alles andere als eben dies sind. Doch, freuen Sie sich: Es geht auch anders.
Unser kleiner Familienblog bietet ebenfalls Fanartikel feil, und dies zu humanen Preisen, an denen wir praktisch nix verdienen (nur unser VIP-Shirt kostet richtig, aber dafür ist es ja auch das VIP-Shirt...). Ja, das neue Gladbachtrikot mag schick sein. Aber gegen unsere Waren? Ich bitte Sie! Und neben Bekleidung haben wir nun auch anderes im Angebot, eine Einkaufstasche etwa, mit der Sie Ihren Glauben an den Fußballgott bekennen können und im Gegenzug stets den Papst in der Tasche haben werden. Oder eine praktische "Messenger-Bag", mit der Sie die Grundmessage unseres geliebten Sports deutlich und doch charmant transportieren: Wenn es kein VfL ist, ist es auch kein Fußball. Diesen Satz umherzutragen, hat doch unvergleichlich viel mehr Würde, als als Werbefläche für die Adidasse, Pumas, Asicse und Wasweißichnochs dieser Welt spazieren zu gehen. Na also, Sie überlegen auch schon, sich ein VfLog-Artikelchen zuzulegen? Just do it!
Sonntag, 30. Juli 2006
schein weiter
I don't know, why it's just this world's so far away / But I won't fight, well, not today.
Sooo schlecht war Gladbach doch gar nicht.
Samstag, 29. Juli 2006
beleidigendes lenkrad
Für 30.000 € würde ich mein Herrschaftswissen bezüglich der Identität des Köppel-Nachfolgers noch mit dem DSF-Mannen teilen, allein die Chance erschien mir jedoch ein zu geringer Anreiz, um zum Hörer zu greifen. So konnte ich voller Aufmerksamkeit ein akzeptables 1:1 und einen auch insgesamt beeindruckend ahnungslosen Kommentator verfolgen. Die rundheraus mediokre Leistung krönte das selbsternannte Deutsche Sportfernsehen nach dem Spiel mit der Ankündigung eines Interviews mit wahlweise Jupp Heynckes oder Christoph Daum, gleich nach der Werbung. Auf die folgte aber lediglich eine Einblendung "Aus technischen Grpünden (sic!) können wir nicht mehr nach M'gladbach schalten."
Aus technischen Grpünden möchte ich wiederum mir heute noch kein Urteil über "unsere neue 10" Aka Insúa erlauben. Er war ok, würde ich sagen. Was da noch kommt, werden wir sehen. Auf der Suche nach Hintergrundinformation aus seiner Heimat durchstöberte ich jedenfalls schon einmal ein paar argentinische Sportseiten, die ich jedoch nur mit Hilfe von Babelfish entschlüsseln konnte. So lernte ich, dass Gladbachs Sportdirektor für Insúa die "Position des beleidigenden Lenkrades" vorgesehen habe, so jedenfalls mein Übersetzungsprogramm. Das klingt stark nach den Fußstapfen Zidanes und lässt also Großes erwarten. Auch weiß ich jetzt, dass unser neues Lenkrad mit seinem alten Auto, pardon Verein, bereits das "südamerikanische Glas" gewonnen hat. Auch dies mehr als sympathisch.
Freitag, 28. Juli 2006
la dolce vita #3
Gestern Abendessen mit dem Fußballgott, der auch in Italien Urlaub macht. Hab ihm nach vier Grappa das Versprechen abgerungen, dass Deutschland 2010 Weltmeister wird, wenn bei uns Bayern, BVB und Schalke zwangsabsteigen und wir die konservative Regierung abwählen.
Donnerstag, 27. Juli 2006
endlich verloren
Es wäre ein überaus schlechtes Omen gewesen, ganz ohne Testspiel-Niederlage in die neue Saison zu starten. Eine solche Serie hätte einen katastrophalen Saisonstart geradezu herausgefordert. Nun ist alles gut, und noch mehr: Mit der Niederlage im Rücken kann der VfL dem nächsten Sparring gegen Arminia Bielefeld beschwingt entgegensehen. "Jetzt müssen wir gegen Bielefeld immerhin nicht mehr halbe Kraft spielen, sondern können unser Übergewicht in Abwehr, Mittelfeld und Angriff ohne Skrupel in Tore ummünzen", sagte Pele Wollitz am Rande des morgendlichen Trainings auf der Illoshöhe.
Mittwoch, 26. Juli 2006
was schreiben an einem mittwoch wie diesem?
Und dies ist die Antwort: Ein wunderbares Spiel mit dem Titel "Schreiben, knicken, malen"!
Jeder Spieler erhält einen Stift und ein Blatt. Darauf schreibt er oben einen Satz, von dem er annimmt, dass man ihn auch zeichnen kann. Anschließend knickt er sein Blatt unterhalb des Satzes um und gibt es weiter. Nun versucht jeder, den Satz, den er bekommen hat, zu zeichnen. Ist er fertig, knickt er das Blatt unterhalb der Zeichnung und gibt es weiter. Nun muss aus der Zeichnung wieder ein Satz gemacht werden, dann daraus eine Zeichnung usw. Wenn die Blätter voll sind, wird alles entfaltet und herum gegeben.
Auch möglich sind die Evergreens "Ich sehe was, was du nicht siehst" oder "Alle Vögel fliegen hoch". Wie dem auch sei: Viel Spaß dabei!
Dienstag, 25. Juli 2006
protestnote
Dass man die beiden einzigen aufsteigbaren Mannschaften, die mit „V“ beginnen, auf den ersten beiden Plätzen findet, ist mehr als angemessen. Mit dem VfB Lübeck hat der VfL einen akzeptablen Partner auf dem gemeinsamen Weg in die 2. Liga. Dass unsere Freunde aus Ahlen auf dem letzten Platz gelandet sind, entspricht ebenso vortrefflich der bahnbrechenden Begeisterungsfähigkeit und langen Fußball-Tradition in Münsters idyllischem Vorort. Doch dann lauert der Skandal.
Die „Zwote“ des anderen VfL schneidet als Vorletzter ab und steht damit auf einem Abstiegsplatz! Das darf nicht sein. Deshalb unser Aufruf: Protestieren Sie dagegen! Schreiben Sie eine E-Mail an info@vfl.de. Unterstützen Sie unsere Petition, und wenn Ihnen selbst nichts besseres einfällt, kopieren Sie folgenden Text einfach in Ihre Mail.
Sehr geehrte VfLer in Osnabrück,
die beiden einzig wahren VfLs müssen zusammen halten! Klar, der lila-weiße VfL gehört in die 2. Liga; die „Zwote“ der Borussia hat aber in der Regionalliga eine angemessene Heimstatt gefunden. Empört stellen wir fest, dass Sie die Borussia in der aktuellen Regionalliga-Tabelle auf einem Abstiegsplatz verortet haben. Ändern Sie das! Gemeinsam sollen die beiden VfLs am vorletzten Spieltag feiern – den Klassenerhalt der Borussia und den lila-weißen Aufstieg!
Montag, 24. Juli 2006
la dolce vita #2
Lehrstück über den Zusammenhang von Fußball und Wirtschaft: Ein Land, in dem 1l guter Wein im Restaurant 10€ kostet, 1l Wasser 2,50€ und ein Espresso 1,10€, kann nicht ganz zu Unrecht Weltmeister sein.
Sonntag, 23. Juli 2006
das vflog-fußball-abc #11: v
Vielerorts wird das "V" missbräuchlich und inflationär verwandt. VW zu Beispiel nutzt im Prinzip drei "V"s, reicht aber dennoch nicht an den Ruhm und den Glanz heran, den das "V" Osnabrück und Gladbach verleiht. Schlimmer noch: VW hängt fortwährend der irren Annahme nach, mit dem VfL Wolfsburg etwas Adäquates geschaffen zu haben.
Auf die Spitze treibt es der VVV Venlo. Auch mit vier "V"s gelingt es den Niederländern nicht, das Maß an Esprit, Spielwitz und Begeisterungsfähigkeit zu entfachen, das den Mythos VfL auszeichnet. Damit die Holländer ihr Handicap nicht sofort erkennen, hat die Borussia das Testspiel gestern galanterweise mit 1:2 verloren. Jupp Heynckes hat dafür als freundlicher Gast aus Deutschland alles gegeben: "Diesmal sind nicht die Spieler schuld, diesmal ist der Trainer schuld. Die Jungs waren platt."
Bisher erschienen: Verein | Versager | verlieren | VIP | Verteidiger | verdient | Vollpfosten | Vorentscheidung | Vielflieger | Vertrag |
Samstag, 22. Juli 2006
la dolce vita #1
Neue Gelassenheit: Habe Luftmaterazzi beschimpft. Stoische Gleichmut. Selsbt als ich mich auf ihn geworfen und ihn getreten hab, hat er nur leise "pffft" gemacht...
Freitag, 21. Juli 2006
trollinger-championat 2006/2007
passend zu den heißesten Tagen des Jahres liefern wir das heißeste Tipp-Spiel! Die VfLs bereiten sich penibelst auf die neue Saison vor, bolzen Kondition und üben das grazile Spiel nach vorn. Zahlt sich das aus? Und davon ab: Tippen Sie, ob Hans Meyer länger im Amt bleibt als Klaus Augenthaler, trauen Sie wenigstens einem VfL den Pokalsieg zu und verraten Sie, wer der zweite Aufsteiger aus der Regionalliga Nord sein wird!
Hier sind, das liegt auf der Hand, Fachleute gefragt, und deshalb ist das Trollinger-Championat nichts für jedermann, sondern exklusiv für VfLog-Leser und alle ihre Freunde. Rühren Sie ordentlich die Werbetrommel, melden Sie sich an und: Verdienen Sie sich eine lila-grüne Nase!
Donnerstag, 20. Juli 2006
nach italien!
Mittwoch, 19. Juli 2006
"die leute haben spektakel verdient!"
Im ersten Saisonspiel geht es gegen Düsseldorf. Was für eine Mannschaft werden wir da erleben?
Ich werde meiner Linie, was das Offensivspiel betrifft, treu bleiben. Fußball muss nach vorne gespielt werden. Sowieso finde ich, dass die Leute das verdient haben: Spektakel. Spektakel im gegnerischen Strafraum. Ich glaube, was die erzielten Tore betrifft, sind wir da seit zwei Jahren über dem Schnitt. Aber ich muss die Mischung finden. Die Spieler, die nach vorne spielen, die müssen auch bereit sein, nach hinten zu arbeiten, sonst geht es nicht. Das gilt es jetzt zu finden. Dabei sind mir Namen egal. Es muss einfach passen. Und diese Mannschaft wird dann am 9. August um 19.30 Uhr gegen Düsseldorf auflaufen und hoffentlich eine erfolgreiche Saison einläuten.
Viele Neuzugänge sind zum VfL gekommen. Lassen Sie uns nur auf einen näher eingehen: Daniel Chitsulo, der offensichtlich auch beim FC St. Pauli im Gespräch war. Sie haben gesagt, der sei nach Osbabrück gekommen, weil er hier mehr gemeinsame Entwicklungschancen habe. Warum sind die in Osnabrück besser als in St. Pauli?
Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Wenn man die letzten zwei Jahre zugrunde legt und die Statistiken sieht, wieviele junge Spieler hier zum Einsatz gekommen sind – Flottmann, Heider, Bernhardt, Schäfer, Kügler, Koch –, die konnten sich ja hier entwickeln. Ich setze auf junge Spieler, die eine gewisse Dynamik haben, die so eine gewisse Reife noch nicht besitzen und die mit Lust und Liebe jeden Tag zum Training kommen. Die wollen sich verbessern. Diesen Daniel Chitsulo, den beobachte ich schon seit dreieinhalb Jahren in Köln. Der ist sehr klein, hat aber ein unglaubliches Timing zum Kopfballspiel, ist unglaublich variabel, kann links spielen, kann rechts spielen, kann als Stoßstürmer spielen, kann hinter dem Stoßstürmer spielen und hat eine Schnelligkeit, die sehr wichtig ist. In den Gesprächen hat er uns immer das Gefühl gegeben: "Bitte nehmt mich doch. Ich möchte nicht nach St. Pauli oder nach Darmstadt!" Weil er natürlich auch sieht: Wenn er zum Spielen kommt, in einem tollen Verein, in einem tollen Stadion, dann kann er sich weiterempfehlen. St. Pauli ist auch ein toller Kult-Klub, aber ich glaube, dort hätte er nicht so viele Spielchancen bekommen wie hier. Darauf setzt er, und sowas fördere ich. Das ist genauso wie bei Aziz. Der ist 20 Jahre. Da fragt sich jeder: Wie kann der nach Osnabrück wechseln? Der hat 16 Tore in der Oberliga gemacht und 28 oder 29 vorbereitet – ein wirklich sehr, sehr guter Vorbereiter, ein richtig guter Linksfuß. Der kommt, weil wir uns schon seit September um den gekümmert haben. Oder Ndjeng, 25 Jahre, hat in der 2. Liga eine wirklich gute Serie gespielt, sich richtig gut entwickelt. Den wollten wir ja schon vor eineinhalb Jahren haben. Und die Spieler haben dann auch in den Gesprächen gemerkt: Die wollen in Osnabrück was aufbauen, da kann man unter positivem Druck Fußball spielen, sich weiterentwicklen und sich weiterempfehlen.
Wenn die Mannschaft sich draußen vor dem Spiel warm läuft, dann ist der Trainer nie dabei. Was machen Sie eigentlich so kurz vorm Spiel?
Das ist ein gewisses Ritual, mit dem ich in Krefeld angefangen habe. Damals spielten wir das erste Meisterschaftsspiel gegen Holstein Kiel. Ich bekam vom Betreuer die Aufstellung von Kiel. Da ich die in der Vorbereitung schon mehrfach beobachtet hatte, bin ich dann alle möglichen Eventualitäten durchgegangen: Was passiert, wenn der oder der eingewechselt wird? Was passiert bei diesem oder jenem Ergebnis? Und das habe ich dann auf mehrere Taktik-Zettel geschrieben, wie ich dann reagieren werde, damit ich in der Situation nicht lange überlegen muss. Das hat letztlich so viel Zeit eingenommen, dass die Spieler schon wieder reinkamen, als ich gerade damit fertig war. Seitdem gehe ich nicht mehr raus. Sicher auch, weil ich kein Trainer bin, der beim Warmmachen nochmal zu jedem Spieler hingeht, mit ihm redet, spüren will, ob er denn wirklich voller Leidenschaft ist, genug Spannung hat, um gut Fußball zu spielen. Damit würde ich die nur verrückt machen. Ich möchte die alleine lassen. Sie sollen sich so warm machen, wie sie das meinen. Damit bin eigentlich bisher gut gefahren. Sich da draußen hinzustellen und zu gucken, ob der eine drei Sprints oder vier Sprints macht, ich glaube das ist es nicht.
Wie immer in VfLog-Interviews sind Sie nun aufgerufen, einige kurze Satzanfänge zu beenden. Wir beginnen einfach!
11. Fußball ist...
...die schönste Nebengeschichte der Welt.
10. Nur in Osnabrück...
...(denkt nach, wiederholt "Nur in Osnabrück") muss ich erstmal schieben, darauf antworte ich gleich.
9. Manchmal beneide ich Arminia Bielefeld um...
...ich beneide keinen Verein, und ich beneide auch keine Menschen.
8. Am meisten gelitten habe ich in den letzten Jahren, als...
...ich leide nicht, weil ich mir das alles selbst ausgesucht habe. Ich bin manchmal enttäuscht über gewisse Sachen, die passieren, aber leiden tue ich nicht.
7. Am meisten gefreut habe ich mich...
...(denkt lange nach) dass Klinsmann jetzt den Erfolg hatte, den er sich gewünscht hat, den er sich hart erarbeitet hat und dass viele sich jetzt in den Allerwertesten beißen müssen, die ihn kritisiert haben. Das war nicht unter der Gürtellinie, sondern noch viel tiefer.
6. Meine am meisten unterschätzte Eigenschaft...
...ich weiß nicht, wer was bei mir unterschätzt. Was mich ein bißchen ärgert, ist eben, dass viele meinen, dass ich nur ein Motivator bin. Motivation gehört zum Job, klar. Ich glaube aber, dass die Leute, die sehr eng mir mir arbeiten, auch sehen, dass ich sehr akribisch bin und sehr gewissenhaft und immer top vorbreitet, sowohl auf das Training als auch auf den Gegner.
5. Wenn ich Freunde zu mir einlade, koche ich am liebsten...
...ich kann leider nicht kochen, ich bin dann für den Wein zuständig. Ich glaube, davon ein bißchen zu verstehen. Das Kochen überlasse ich meiner Frau, was sie sehr, sehr gut macht.
4. Mit Borussia Mönchengladbach verbinde ich...
...nicht viel, freue mich aber trotzdem, dass Jupp Heynckes dort Trainer geworden ist. Obwohl ich die Arbeit von Horst Köppel, also das, was ich aus der Ferne beobachtet habe, sehr geschätzt habe. Er hat die beste Saison nach dem Aufstieg gespielt, und damit hätte man ein bißchen fairer umgehen können. Aber Heynckes ist ein Fachmann. Ich glaube, dass er Osnabr… ääh Borussia Mönchengladbach ein bißchen weiter nach oben führen kann. In Gladbach - mit dem auch sensationellen Publikum, dem fantastischen neuen Stadion, dem fantastischen Umfeld und mit der Tradition - ist das der richtige Mann am richtigen Ort.
3. Der VfLog darf sich künftig mit meinem Zitat schmücken, dass...
...ich ein sehr netter Gesprächspartner war. (grinst)
2. In 10 Jahren ist Osnabrück...
...ja, dann hoffentlich da, wo die Leute den Verein gerne sehen würden.
1. In 10 Jahren bin ich...
...also, ich gucke jetzt auf die Saison 2006/2007, und da bin ich aktuell Trainer vom VfL Osnabrück.
Jetzt müssen wir die geschobene Frage 10 noch nachholen: Nur in Osnabrück...
...(denkt wieder lange nach, raunt "is ’ne schwierige Frage", wiederholt nochmal "Nur in Osnabrück...", lacht, zetert) Was ich auch sage, werde ich dann natürlich auch immer eingeschenkt bekommen in den nächsten Jahren. ‚Da hat er das gesagt, und so hat er das gesagt.’ Da muss man ja vorsichtig sein heutzutage, und ääh... (zetert weiter, "Nur in Osnabrück...") Ist für mich jetzt echt schwierig zu beantworten, muss ich ehrlich sagen. Tut mir leid.
Auch kein Problem. Herr Wollitz, vielen Dank für das Gespräch.
Dienstag, 18. Juli 2006
zeichner gesucht: käptn panther und hein kess
Alle, die zeichnen können, sind aufgefordert, uns einen Entwurf für die Hauptfiguren einer neuen VfL-Comic-Serie zu malen. Im Mittelpunkt steht ein freundlicher, kompetenter Erfolgstrainer mit Namen "Hein Kess", in allen Lebenslagen unterstützt von "Käptn Panther". Die schönste Einsendung wird prämiert. Also her mit den Skizzen an comic@vflog.de.
Montag, 17. Juli 2006
"mit der auswärtsbilanz steigst du normalerweise ab!"
Vergangene Saison ist einiges nicht so gelaufen, wie sich das alle beim VfL vorgestellt haben. Sie haben schon eingestanden, dass auch Sie Mitschuld daran tragen, beispielsweise weil Sie sich bei den Neuverpflichtungen verschätzt haben. Wie kann das passieren, dass gleich ein paar Spieler, die dazukommen, nicht die Leistung bringen, die man sich vorstellt?
Ein paar Spieler ist ja vielleicht ein bißchen hochgegriffen. Es waren drei Spieler: Florian Heidenreich, Marcus Wedau und Shergo Biran. Wir hatten vorher eine intakte Mannschaft, die sehr, sehr gut gespielt hat. Dann sind wir davon ausgegangen, dass wir nur noch auf einigen Positionen ergänzen müssen. Das hat dann einfach nicht gepasst. Ich trage dafür die Verantwortung, ich habe kein Problem damit. Von zwei Spielern haben wir uns schon getrennt: Von dem Biran, der eigentlich nie richtig gespielt hat für den VfL, der uns betrogen hat bei der Vertragsunterschrift, weil er eine Verletzung nicht gemeldet hat. Und von Marcus Wedau, der hier nie seinen Rhythmus gefunden hat. Er hat sich nie so richtig frei machen können von dem Druck. Bei Florian Heidenreich setze ich jetzt eben auf das zweite Jahr. Er hat ja ein gewisses Potenzial. Nur das Potenzial alleine reicht nicht. Um sich zu entwickeln, muss der Spieler auch mitarbeiten. Das kann nicht nur vom Trainer ausgehen, da muss eben auch der Spieler mitmachen wollen und seinen Teil beisteuern.
Wieso haben die, die fit waren, trotzdem so enttäuscht?
Weil ich keine Alternativen hatte. Die Spieler sind ja alles Superjungs und herzensgut, aber wenn sie keinen Druck haben und nie mit Konsequenzen rechnen müssen, nach schlechten Spielen auch mal auf die Bank oder auf die Tribüne zu kommen, dann hast du keine Möglichkeiten mehr. Eine Eigenmotivation haben die wenigsten Spieler. Sie brauchen immer das Wissen: "Oh, das ist mein Konkurrent. Wenn ich jetzt diese Woche nicht gut trainiere und der trainiert sehr, sehr, sehr gut, dann spielt der." Darauf haben wir jetzt versucht zu reagieren, wir haben den Kader breiter gemacht, ich finde auch in der Breite stärker. Es gibt mehr Alternativen, und das war die einzige Konsequenz aus dem letzten Jahr, die man ziehen konnte.
Was war der Punkt, an dem Sie in der letzten Saison selbst gemerkt haben, dass es nicht mehr weiter nach oben geht, sondern Sie vielmehr aufpassen müssen, nicht unten rein zu geraten?
Das war schon in der Winterpause mein internes Ziel mit der Mannschaft, weil ich eine Tendenz schon in der Hinrunde gesehen habe. Ich gewinne als Spitzenmannschaft zu Hause, dann verliere ich nicht jedes Mal auswärts. Das ist eine Tendenz, die spürt man, die riecht man. Das habe ich auch intern gegenüber dem Vorstand angesprochen. Ich habe schon relativ früh im September/Oktober erkannt, dass gewisse Spieler nicht bereit sind, ohne Druck und ohne Konsequenzen alles aus sich herauszuholen. Die, die mit angepackt haben, das waren sehr wenige. Viele andere waren verletzt. Ein Nouri ist für diese Mannschaft VfL Osnabrück, selbst jetzt noch, schwierig zu ersetzen, weil er für die Regionalliga außergewöhnliche Qualitäten besitzt, allein vom läuferischen und weil er in beide Richtungen spielen kann - nach vorne, aber auch sehr, sehr konsequent und sehr mannschaftsdienlich nach hinten. Jetzt bei der WM hat man das auch bei der Nationalmannschaft gesehen, mit Frings und Ballack, um nur mal das Mittelfeld-Zentrum zu nennen. Die gestalten das Spiel nach vorn, arbeiten aber auch sehr konsequent in der Defensive. Das konnten wir in der vergangenen Saison nicht. Und hinten konnten wir auch nicht den Ausfall von de Jong kompensieren. Dann ist uns noch der Torwart acht Spiele wegen eines Virus' weggefallen. Naja, das alles hat man dann irgendwann gespürt, und dann muss man einfach sagen: So schlimm wie es ist, aber der 10. Platz ist ok – mit der Auswärtsbilanz steigst du normalerweise ab. Das ist die Wahrheit, das ist schon ganz anderen Vereinen passiert. Nur das will in Osnabrück sowieso keiner wahr haben. Ich kann das ja sogar nachvollziehen, weil der Anspruch hier immer hoch ist. Ich finde, der Anspruch soll auch hoch sein, trotzdem aber muss man auch mit Niederlagen umgehen können.
In Ihrem ersten Jahr hier spielte die Mannschaft viel begeisternderen Fußball als in der letzten Saison. Da gab’s ganz oft diese Diagonalpässe aus dem defensiven Mittelfeld in die Spitze, die das Spiel dann ganz schnell machten. Diese Art zu spielen kam mit Ihnen nach Osnabrück. Warum gab es das in der letzten Saison gar nicht mehr?
Das hängt erstens zusammen mit Unbekümmertheit und mit Selbstvertrauen. Außerdem braucht man dafür eben die Vorbereiter für diese Situationen. Und da sage ich: Wedau nie richtig angekommen, Björn Joppe leider immer neben sich gestanden, Nouri nie da gewesen. Dann ist das Kreative schon weg. Diese Spielsituationen können nur gewisse Leute herbeispielen und vorbereiten, andere Spieler mit anderen Qualitäten können das nicht. Ich habe das auch oft genug gesagt, aber das möchte dann vielleicht keiner hören: In einer Fußballmannschaft muss die Balance stimmen, und wenn die Balance nicht stimmt, kann ich solche Spielsituationen nicht einmal trainieren. Wenn ich über Monate mit zwölf oder dreizehn Mann trainiere und ich spiele 6 gegen 7, kann ich das nicht trainieren. Ich kann natürlich 11 gegen 2 spielen, aber das bringt nichts. Da brauche ich 20 Leute oder wenigstens 18, um was zu stellen. Ich muss versuchen, sehr, sehr spielnah zu trainieren, damit ich diese Situationen dann auch am Wochenende spüre, wenn der Gegner dabei ist. Sonst fehlt hinterher einfach die letzte Spielkonsequenz, um dieses Tempo gehen zu können, das wir im ersten Jahr unglaublich gespielt haben und wofür wir überall gelobt wurden. Dafür fehlte in der letzten Saison einfach diese Kompaktheit der Mannschaft, und das wiederum hängt auch mit Fitness zusammen. Diese Fitness erarbeite ich mir aber auch im Training in spielnahen Situationen. Die erarbeite ich mir nicht, wenn ich zehn Mal um den Platz laufe. Dafür brauche ich eine gewisse Anzahl an Spielern beim Training, und die hatte ich leider nicht.
Sie haben sich außerdem sehr beklagt über die mangelnde Gefahr bei Standardsituationen. Der Ball ruht, das ist eigentlich die einfachste Möglichkeit, den Ball gefährlich an den eigenen Mann zu bringen. Wie genervt ist man da, wenn das immer wieder scheitert?
Da sagen Sie was, was auch ich sehr, sehr schwer nachvollziehen kann. Das ist eine Situation ohne Gegenspieler, normalerweise also ein Vorteil. Die meisten Spiele werden heutzutage durch Standardsituationen entschieden, weil die meisten Mannschaften auf Augenhöhe spielen und sich nur durch Kleinigkeiten unterscheiden. Das ist eben auch eine Sache von Konzentration, von Wille, sich dann auch im Training gewisse Sachen zu erarbeiten. Aber wenn ich im Training schon den Ball nicht über den ersten Pfosten kriege, wie soll ich ihn denn dann im Meisterschaftsspiel über den ersten Pfosten kriegen? Da spreche ich ja die ganze Zeit von: Wenn ich mit Konsequenzen nicht rechnen muss, dann tut sich nichts. Ich kann nicht einen Jan Schanda eine Ecke schlagen lassen oder ich kann nicht Wolfgang Schütte Freistöße schießen lassen. Die haben andere Qualitäten. Die anderen Spieler haben einfach in ihren Standardsituationen nicht das gebracht, was man bringen muss, um in der Regionalliga oben in der Tabelle mitzuspielen. Jetzt habe ich versucht, darauf zu reagieren. Ich denke, dass mit Bilal Aziz aus der Oberliga ein sehr, sehr guter Servicespieler dazugekommen ist, dazu Cartus, dann hoffe ich natürlich, dass Nouri jetzt relativ zügig zurückkommt, dann hätten wir drei. Dave de Jong kann das auch, dann hätten wir irgendwann mal vier, und das wäre ganz beruhigend. Ich bin ganz zuversichtlich, künftig das ein oder andere Spiel auch mal über eine Standardsituation zu gewinnen, eben mit gewissen Kopfballspielern und auch mit Spielern, die bereit sind, dahin zu gehen, wo du natürlich auch mal Ellbogen abkriegst - die verteilen wir übrigens auch. Wir haben glaube ich in der Saison 2004/05 48% der Tore aus Standardsituationen erzielt, letzte Saison lag die Quote bei 11%. Das sagt alles aus. Ich war früher ja selbst ein Mann des ruhendes Balles. Da kann man gar nicht nachvollziehen, was daran so schwer ist.
Lesen Sie Mittwoch im letzten Teil des Interviews, warum Osnabrück besser ist als St. Pauli, was Wollitz ganz kurz vorm Spiel macht und warum er Arminia Bielefeld um nichts beneidet.
Sonntag, 16. Juli 2006
traumlos
Möge das ganze Land sensationslüstern nach St. Pauli (gegen Bayern) oder Pirmasens (gegen Bremen) schauen. Was aber für ein Glück, dass dieser Kelch vorerst am VfL vorüber gegangen ist. Viele hatten sich in den vergangenen Tagen Braunschweig gewünscht und vom guten alten Niedersachsen-Derby geträumt. "Bitte, bitte erstmal ein machbarer Gegner, der ein volles Stadion garantiert. Am besten Braunschweig. Danach, in einer möglichen 2. Runde, gern gegen einen großen Klub und ein zweites Mal kassieren!"
Das ist sehr klug, und darum ist Braunschweig das Traumlos! Weiter träumen ist aber auch erlaubt: Ein VfL-Derby wäre das wunderbarste Ereignis des Jahres!
Samstag, 15. Juli 2006
Freitag, 14. Juli 2006
"wenn du verlierst, taugst du als mensch nichts!"
Dann ging es von Schalke nach Leverkusen und von Leverkusen nach Osnabrück. Wie war das damals? Wie sind Sie zum VfLer geworden?
Schalke war damals mein erstes Jahr Profifußball. Unglaublich, wie das gelaufen ist, dass ich direkt Stammspieler geworden bin und eine sehr, sehr gute Serie gespielt habe. Dann bekam Schalke aber finanzielle Probleme und hat mich nach Leverkusen verkauft. Das war, nachdem 1988 Holland unter Rinus Michels Europameister hier in Deutschland wurde. Michels wechselte dann nach Leverkusen. Es ist natürlich nach einem Jahr Profifußball eine Ehre, unter so einem Trainer spielen zu dürfen, und deshalb bin ich gern dorthin gegangen.
Ja, und dann habe ich einen Riesenfehler gemacht, dass ich nach einem Jahr in Leverkusen die Segel gestrichen habe, obwohl ich einen Vier-Jahres-Vertrag hatte. Ich wollte eben unbedingt spielen. In Osnabrück war dann Schafstall Trainer, der ja auch schon mein Coach in Schalke war, deswegen bin ich nach Osnabrück gewechselt. Jetzt im Nachhinein war Osnabrück für meine Entwicklung mit Familie und drei Kindern unglaublich wichtig. Es war hier super möglich, ein reiferer Spieler zu werden. Aber sportlich gesehen, mit den Möglichkeiten, die ich eigentlich hatte, hätte ich das in Leverkusen durchziehen müssen und dort ein bißchen mehr auf die Karte Geduld setzen sollen. Das habe ich leider nicht getan.
Insgesamt waren es dann einige Stationen als Spieler – unter anderem mit zwei Abstiegen und einem DFB-Pokal-Sieg. Was war denn die schönste Station in Ihrer Karriere?
Ich habe mich grundsätzlich eigentlich überall sehr wohl gefühlt. Sehr, sehr schön waren sicherlich die vier Jahre Osnabrück. Krefeld aber auch, weil wir da neun Jahre lang gewohnt haben. Da war ich Spieler, bin nochmal nach Köln gewechselt und hab dann meinen Trainereinstieg in Krefeld gefunden, das war auch toll.
Ich hab auch ein sehr schönes Jahr in Wolfsburg gehabt, weil wir als Außenseiter ins DFB-Pokalfinale gekommen sind und eine unglaubliche Serie gespielt haben. Wenn man das 1995 gesehen hat, dann ist damals eigentlich so richtig entstanden, was Wolfsburg jetzt ist. Ich war Kapitän der Mannschaft. Als neuer Spieler von Hertha da hin zu kommen und direkt Kapitän zu werden, das war auch unglaublich. In Wolfsburg war einfach toll, wie da eine Mannschaft von ihrem Zusammenhalt gelebt hat, von einem unglaublichen Charakter, von dem Willem, was zu erreichen.
Aber auch Kaiserslautern war sehr, sehr angenehm, weil ich da mit Weltklassespielern gespielt habe, wie Andreas Brehme und den beiden Tschechen Kadlec und Kuka, die seinerzeit sehr, sehr gut waren. Auch in Köln nochmal zu spielen unter Bernd Schuster und Ewald Lienen – da hab ich schon einiges erlebt.
Erinnern Sie sich an das Spiel Ihres Lebens? Ein Spiel, von dem Sie sagen: "Da war ich echt stark!"
An was kann ich mich erinnern? Ich hab mal das Tor des Monats im Europapokal geschossen, aus 40 Metern, mit Kaiserslautern gegen Bratislava. Das ist natürlich ein Highlight, das nicht so viele schaffen. Ich hatte eben das Glück, dass sich keiner angeboten hatte, dann hab ich einfach draufgeschossen – und der Ball landete im Tor. Sonst hab ich als Spieler erst relativ spät eine gewisse Konstante in meiner Leistung gefunden, so mit 27, 28. Ich glaube, so mit 28 waren schon viele Highlights dabei.
Sie haben unter vielen verschiedenen Trainern gespielt. Schafstall, Michels, Schuster und Lienen haben wir schon gestreift. Von wem haben Sie am meisten gelernt?
Grundsätzlich lernt man von jedem etwas. Wissen Sie, ich mag dieses Passive nicht, ich mag dieses Zurückhaltende nicht, ich will das Selbstbestimmende auf dem Platz und versuche auch, meine Spieler davon zu überzeugen. Zum Beispiel der Rinus Michels. Was das angeht, war der unglaublich. Immer versucht er, seine Mannschaft dahin zu bringen, dass die das Spiel bestimmen.
Ich finde Ewald Lienen hat außergewöhnliche Qualitäten. Lienen wird leider sehr verkannt in Deutschland, er wird in eine Schublade reingesteckt, die dieser Mann überhaupt nicht ist. Für mich ist das ein absolut professioneller Fußballfachmann, ein Kenner, der unglaublich gut analysieren kann.
Zu Jürgen Gelsdorf habe ich eine sehr, sehr enge Bindung, weil er in Uerdingen nochmal mein Cheftrainer wurde. Er hatte so eine Gabe, dass er bei gewissen Spielern mit seiner Art einfach im tiefsten Herzen ankam, und die haben das auf dem Platz mit einer außergewöhnlichen Leistung zurückgegeben. Das hat Gelsdorf verstanden wie ganz wenige.
Lienen und Gelsdorf sind Menschen, die ich nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb des Platzes sehr schätze. Die interessieren sich nicht nur für den Spieler als Fußballer, sondern auch für den Spieler als Menschen, und das ist sehr beeindruckend. Man hat das Gefühl gehabt, dass das erste, was zählt, der Mensch ist und nicht der Spieler. Das finde ich sehr positiv.
Haben Ihnen Ihre viele Stationen und Erfahrungen als Spieler besonders geholfen, als Sie Trainer wurden?
Diese vielen unterschiedlichen Typen, unterschiedlichen Charaktere und unterschiedlichen Strukturen in den Vereinen sind mir sicherlich zugute gekommen, den Trainereinstieg unter schwersten Voraussetzungen zu meistern. Uerdingen war damals total pleite, innerhalb der sechs Wochen Saison-Vorbereitung fing es schon an, dass die nicht mehr bezahlen konnten. Am Ende waren sie völlig zahlungsunfähig. Aber wir hatten eine Mannschaft, die in der Rückrunde aus 14 Spielen 29 Punkte geholt hat. Das war unglaublich! Ähnlich war es auch hier in beim VfL. Osnabrück hatte damals eine sehr, sehr verkorkste Saison hingelegt, war aus der 2. Liga abgestiegen. Sich als junger Trainer dann den Umbruch zuzutrauen, bis auf zwei Spieler, die eine hohe Identifikation mit dem VfL haben, eine komplette Mannschaft auszuwechseln, das ist nicht eben selbstverständlich. Mit dem Jo Enochs und dem Wolle Schütte da was neues anzufangen, das war sehr beeindruckend.
Mittlerweile sind Sie im vierten Trainerjahr angekommen. Was ist noch Traumjob, wo nervt es?
Eigentlich ist immer noch alles Traumjob. Was nervt, aber das wird wahrscheinlich jeder Trainer sagen, ist, dass du nach jedem Spiel neu beurteilt wirst. Wenn du verlierst, taugst du als Mensch nichts. Das finde ich einfach nicht richtig, weil sich hinter jeder Geschichte ein Mensch verbirgt. Der Mensch ist eigentlich das wichtigste, was wir auf dieser Welt haben. Klar macht man nicht immer alles richtig, und es ist wichtig, dass man kritisiert wird, damit man sich selbst hinterfragt. Das ist alles korrekt. Aber man sollte nicht ins Persönliche gehen, und man sollte nie die Achtung vor dem Menschen verlieren, wenn man sich auseinandersetzt. Im Fußball ist das nach Niederlagen sehr oft anders, und das finde ich bedauerlich. Ich kann auf der einen Seite die Leute verstehen, dass sie enttäuscht sind, wenn der VfL verliert und man viel für den Verein opfert – gerade speziell Jugendliche und Studenten und Lehrlinge, und dann besonders auch Arbeitslose, die ihr letztes Hemd und ihren letzten Cent für den VfL sparen und auf Urlaub verzichten und so. Das weiß ich alles. Aber es gibt, auf die Regionalliga bezogen, 19 Vereine. Zwei können nur aufsteigen und fünf müssen leider absteigen. Einige Vereine werden ihre Ziele also nicht erreichen, und ich glaube, dass man das auch mal zu akzeptieren hat. Wenn man kritisiert, sollte man vorher eine Analyse machen, was gut war und was schlecht war. Alles andere finde ich einfach ein bißchen oberflächlich, und ich bin nicht oberflächlich. Deswegen ist das manchmal sehr verletztend.
Lesen Sie Montag, warum Spieler immer Druck brauchen, dass der VfL eigentlich hätte absteigen müssen und wie es ist, mit 13 Spielern zu trainieren.
Donnerstag, 13. Juli 2006
doppelt hält besser: sportschau zeigt beide vfls
Das prompte Engagement der Sportschau geht nicht zuletzt auf das kameradschaftliche Werben und das unverhohlene Schleichwerben des VfLog zurück. Nun haben es die Wollitz-Kicker selbst in der Hand: Spielt der VfL gut und bestenfalls oben mit, dann werden künftig Fußballfans in ganz Deutschland das ein oder andere lila-weiße Feuerwerk bestaunen.
Das Potenzial dafür sollte das Team haben. Das Gerüst der letzten Spielzeit steht weiter, und das ist gut so. Hinten mit de Jong und Schanda, mit Enochs und Nouri im Mittelfeld und im Sturm mit Menga, Feldhoff und Reichenberger steht ein Grundgerüst, das ohne Frage das eines Spitzenteams in der Regionalliga ist. Zur neuen Saison hat Pele Wollitz den Kader verbreitert. Wenn einige der Neuverpflichtungen einschlagen, dann könnte nächste Saison in Osnabrück die Post abgehen. Heute Abend spielt der VfL erst einmal gegen Preußen Lengerich. Ab August werden die Gegner dann schwerer.
Mittwoch, 12. Juli 2006
"das hat für mich nichts mit sport zu tun!"
Er war auch zu aktiven Spielerzeiten nie unumstritten, aber auch damals schon hatte er selten ein Problem damit. Claus-Dieter Wollitz wandelte schon, als er noch selbst auf dem Platz stand, zwischen pomadigem Wahnsinn und mitreißendem Genie. Mal verwandelte er Freistöße wie im Tiefschlaf und spielte die entscheidenen tödlichen Pässe, und mal eben nicht. Als VfL-Trainer will der, den sie Pele (wohlgemerkt mit der Betonung auf der ersten Silbe, nicht brasilianisch auf der letzten) nennen, konstant gut sein. Dennoch geriet er in der vergangenen Saison massiv in die Kritik. Das hat ihn getroffen - und noch mehr motiviert. Wollitz will weiterhin offensiven Angriffsfußball spielen lassen, weil alles andere Käse sei.
Wir sprachen mit ihm vor dem ersten Testspiel gegen Haste über seine eigene aktive Zeit, über seine Erlebnisse als junger Trainer, die Diskussionen um seine Person, die vergangene verkorkste VfL-Saison, seine Fußballphilosophie, seine Leidenschaft zum Fußball und zu einer guten Flasche Wein. Im ersten Teil des Gesprächs, den wir heute veröffentlichen, geht es um den kleinen Claus-Dieter, der sich mir nichts dir nichts im Gelsenkirchener Parkstadion wiederfand. (Teil 2 | Teil 3 | Teil 4)
Bevor wir später ausführlich zum VfL kommen, starten wir mal mit ein paar Fragen zu Ihnen persönlich. Sie sind in Brakel in Nordrhein-Westfalen geboren worden. Wie hat denn der kleine Claus-Dieter damals zum Fußball gefunden?
In meiner Familie sind einfach alle Fußballer. Brakel ist zwar ein kleiner Ort, trotzdem gab es sehr, sehr viele in meinem Alter, die auf der Straße kickten. Da gab’s noch diese Straßenmeisterschaften, wo die Siedlungen gegeneinander gespielt haben. Ich war damals sehr klein, und ich war immer der jüngste, aber ich hatte schon ein gewisses Talent, deswegen durfte ich bei den Älteren mitspielen. Ich hab von morgens bis abends Fußball gespielt. Ich komme zwar aus einem gut-bürgerlichen Elternhaus, aber was den Fußball angeht, bin auf der Straße groß geworden. Für mich gab’s nur das. Und irgendwie habe ich dann ja auch den Weg in die Bundesliga geschafft.
Alle guten Spieler mussten früher in der Jugend immer Libero spielen, weil man bei denen sicher sein konnte, dass die hinten nichts anbrennen lassen. War das bei Ihnen auch so?
Nee, überhaupt nicht. Ich habe eigentlich nie im Defensivbereich gespielt. Im Prinzip nur später in der Bundesliga, in Köln. Sonst habe ich immer offensiv gespielt, offensives Mittelfeld, ganz oft sogar auch Stürmer.
Und was der Lieblingsverein als Kind?
Wie bei so vielen auch: Bayern München. Früher gab’s ja noch diese Taschenbücher von Rummenigge, Breitner, Beckenbauer - die hab ich natürlich auch alle gelesen. Und wenn ich jetzt noch Bundesliga gucke oder Europapokal, wünsche ich das dann auch immer Bayern München, weil ich das anerkenne, dass sie über 30, 40 Jahre oben in der Spitze der Bundesliga ohne große Skandale kontinuierlich ihren Weg gegangen sind. Sie sind finanziell unglaublich abgesichert und können auf einem Top-Niveau spielen. Es gibt viele Vereine, die das kurzfristig schaffen, sich dabei aber so hoch verschulden, dass sie die Existenz und die Tradition auf’s Spiel setzen. Das ist nicht der Weg, den ich so gut finde.
Was das angeht, gibt es ja auch in der Regionalliga gute Beispiele.
Ja, es gibt überall genug Beispiele, wenn Sie bedenken, dass vor Jahren schon Nürnberg einmal in den UEFA-Cup gekommen ist. Aber da weiß man, dass das nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Wenn ich richtig informiert bin, sind dort sogar einige ins Gefängnis gegangen. Dafür jedenfalls mussten dann andere Vereine absteigen. Das hat für mich mit Sport nichts zu tun, das hat nichts mit Respekt oder mit Korrektheit zu tun. Ich finde, dass dann die Strafen auch drastischer sein müssten als sie es schon sind. Ein gewisses Risiko sollte jedem Verein vorbehalten bleiben, damit man gewisse Ziele erreichen kann, damit man eine gewisse Tradition aufrecht erhalten kann. Aber ich finde, dass man in den Planungen schon so arbeiten sollte, dass ich das, was ich einnehme, auch nur wieder ausgeben kann. Und dann muss man auch die Öffentlichkeit so darüber informieren, dass eben mehr nicht möglich ist. Das Problem ist, dass der Druck in manchen Städten oder Vereinen sehr, sehr groß ist, weil es dort immer Gremien gibt oder, meistens in Traditionsvereinen, viele ehemalige Spieler, die zu wissen meinen, wie das heutzutage zu gehen hat. Diese Störfaktoren beeinflussen im negativen Sinne einige Vereine.
Wenn wir uns die furchtbare Welt vorstellen, in der Fußball nie erfunden worden wäre, was wären Sie dann heute?
Och, da möchte ich mich gar nicht mit beschäftigen. Dann würde mir persönlich was fehlen. Ich bin sehr, sehr leidenschaftlich, was diesen Sport betrifft, ich führe den mit unglaublich viel Liebe und Herz aus. Mir sind auch nicht 18 Stunden zu viel, sondern ich könnte 24 Stunden dafür hergeben. Natürlich braucht man zwischendurch seine Ruhepause, aber ich habe, was das betrifft, sehr, sehr viel Energie und versuche das jetzt auch immer an meine Mannschaft zu vermittteln.
Was habe Sie denn nach der Schule gemacht damals?
Ich hab dann in Brakel Zimmermann gelernt. Dann kam eines Tages Rudi Assauer, und der hat mir einen Vertrag gegeben. Ich wurde Profi bei Schalke 04, seitdem bin ich in diesem Zirkus Fußball. Natürlich bin ich dafür sehr dankbar, weil Fußball eben das ist, was viele gerne zum Beruf machen möchten. Aber vielen fehlt dann dieses Talent, das man schon in die Wiege gelegt bekommt. Ich hatte das Glück.
Lesen Sie Freitag, warum Osnabrück eigentlich ein Fehler war, wie man aus 40 Metern ein Tor des Monats schießt und warum Ewald Lienen ein außergewöhnlicher Trainer ist.
Dienstag, 11. Juli 2006
die wm im vflog
Wegschauen |
Schriftsteller werden |
VfL sehen! #1 |
Hartmann huldigen |
VfL sehen! #2 |
Ausschlafen |
Neuzugang verpflichten |
VfL sehen #3 |
Schluss machen |
Ins Hallenbad gehen |
VfL sehen! #4 |
SV ARD anfeuern |
VfL sehen! #5 |
Esterházy |
VfL sehen! #6 |
Ein Gedicht aufsagen |
Holundersirup |
Joggen |
Französischen Wein trinken |
Stadien schrumpfen |
VfL sehen #7 und weghören! |
Portugiesischen Wein trinken |
In alten Zeiten schwelgen |
Kay-Sölve anschmachten |
VfL sehen #8 - Marcell statt Frings |
Auf die Bundesliga freuen |
Frech werden |
Generös sein |
Endlich richtig VfL sehen |
Auf die Regionalliga freuen |
Schluss: Mehr Licht |
Und als Bonbon: Weltexklusiv: Die Materazzi-Worte |
weltexklusiv: die materazzi-worte
Die Frage lässt der Welt keine Ruhe, und angesichts der bekannt schweigsamen Art des Franzosen fürchtete man vielerorts schon, sie werde auf ewig offen bleiben. Ein Glück, dass wir einen engen Draht zu Materazzi haben, der bisher offiziell nur verlauten ließ, er sei "zuerst provoziert" worden. Uns vertraute er dann aber auch an, dass er Zidane aus der Fassung brachte, indem er ihn an das wohl größte Manko seiner Karriere erinnerte: "Cannes, Bordeaux, Turin, Madrid ist ja ganz nett, alter Zauberer – aber wieso hast Du eigentlich nie in Gladbach gespielt?"
Montag, 10. Juli 2006
empfehlung #31 und schluss: mehr licht!
Das gute Leben, es führt über eine Straße namens VfL, soviel wissen unsere Leser ohnehin. Wer dennoch zum Abschluss unserer Empfehlungsorgie einmal mehr von unserem ausgesucht stilsicheren Geschmack profitieren will, dem sei zur Beschäftigung das unvergleichlich wunderbare Album "Lieder vom Ende des Kapitalismus" von Peter Licht empfohlen. Nach all dem Sportfreunde-Stiller-Tralala, dem spät-faschistoiden "Wer jetzt nicht geil drauf ist, ist ein Feind"-Geknödel eines Grönemeyer und dem triefenden Xavier Naidoo-Gehype sind sicherlich nur noch wenige Seelen in diesem Land zartfühlend genug, den Unterschied zwischen Scheiße und Musik auszumachen. Bei VfL-Fans haben wir Vertrauen.
Licht liefert zudem den perfekten Post-WM-Depressions-Bewältigungs-Song: Er heißt "Es bleibt uns der Wind" und singt trefflich vom Leben nach der großen Party: "Und was uns bleibt am Ende eines langen Abends, es bleibt, es bleibt, es bleibt, es bleibt uns der Wind." (Nicht zu vergessen die wunderbare Zeile: "Wer saufen kann, kann auch ausschlafen und den Tag in die Matratze drücken, bis ihm das Kissen an der Backe klebt." Womit wir wieder beim Lob des Ausschlafens wären.)
Auch darf man all den Schnarchnasen bei ARD, ZDF und RTL danken, dass sie ein perfektes Lied übersehen haben, mit dem sich jeder WM-Beitrag über die deutsche Nationalelf hätte unterlegen lassen, bis auch dieser tolle Song vom falschen Leben des deutschen Fernsehens zerstört worden wäre. So aber bleibt "Wir werden Siegen" unbefleckt, und man darf an schlechten Tagen durch die Straßen latschen und ihn still im Kopf singen voll Hoffnung, dass wir "mindestens siegen".
Es gibt auf diesem Album kaum ein Stück, das einem nicht auf die eine oder andere Art bezaubern kann. Das "Lied vom Ende des Kapitalismus" lässt sich nicht auf die Frage nach einer Alternative zu unserem deprimierenden Wirtschaftssystem ein, sondern singt einfach aus einer künftigen besseren Welt: "Hast Du schon, hast Du schon gehört, das ist das Ende. Das Ende vom Kapitalismus, jetzt ist er endlich vorbei." Wenn dann der Chor einstimmt "Vorbei, vorbei, vorbei, vorbei. Jetzt ist er endlich vorbei", wer möchte da nicht befreit einstimmen: "Der Kapitalismus, der alte Schlawiner ist uns lang genug auf der Tasche gelegen."
Kurzum: Dieses Album sollte man sich nicht entgehen lassen. Und sicherheitshalber auch mit dem Ankauf nicht zu lange zögern, sondern noch in diesem Leben zugreifen und genießen. Denn wahrscheinlich hat Licht recht, wenn er Konstruktivisten und Workaholics gleichermaßen ins Stammbuch schreibt: "Letztes Leuchtfeuer: Was Du nicht kannst, ist mehrere Leben führen, auf mehrere Schiffe gehen. Und das schenkt uns die treue Realität. Der Rest ist Hobby."
Sonntag, 9. Juli 2006
empfehlung #30: auf die regionalliga freuen
Das Warten auf den Saisonstart ist nämlich ein gänzlich anderes als das Warten während der Saison. Auf den Saisonbeginn warten schmerzt, langweilt irgendwann, es macht ungeduldig. Auf das nächste Spiel warten, langweilt nie. Es will schließlich genügend Zeit sein, alle Spielmöglichkeiten während der Woche dutzendfach durchzurechnen. In weniger als einigen Tagen ließen sich die verschiedenen Überlegungen, wie man vom letzten Spiel am besten ins nächste gehen sollte, gar nicht hinreichend anstellen, schließlich muss man zwischendurch auch noch arbeiten, essen, schlafen und bei 'normalen' Freunden darum buhlen, den Stauts der Zurechnungsfähigkeit nicht aberkannt zu bekommen.
Das alles geht bald wieder los, und die kleinen Appetizer - oder, um mit den Worten des künftigen Weltmeisters zu sprechen, Apéritifs - schmecken schon ganz köstlich. 15:2 im Testspiel gegen Lüstringen ist nicht das Eckenverhältnis, sondern das Endergebnis, und auch der ernst zu nehmende Test gegen Enschede wurde verdient mit 2:1 gewonnen.
Was noch fehlt und bis Anfang August da sein muss? Klar: Mehr Power, mehr Druck, mehr gemeinsames Spielverständnis , mehr Zielstrebigkeit. Und: Ein großes Interview mit Trainer Claus-Dieter Wollitz. Für letzteres sorgt der VfLog ab kommenden Mittwoch, wie gewohnt in vier Teilen.
Samstag, 8. Juli 2006
empfehlung #29: endlich richtig vfl sehen
Es hätte auch das Finale sein können, keine Frage. „Jürgen weiß selbst, dass wir jetzt wohl im Finale stünden, wenn Marcell und Oli gegen Italien von Anfang an gespielt hätten. Deshalb lässt er sich ja jetzt auch so lange Zeit mit der Entscheidung, ob er nach der WM weitermachen soll.“ Sagte Oliver Bierhoff heute Morgen auf Anfrage des VfLog.
Jürgen, mach dir nichts draus. Es muss doch nicht immer Berlin sein. Stuttgart ist auch schön. Die Stadt hat lange Jahre mit Erwin Teufel und Gerhard Meyer-Vorfelder zwei äußerst sympathische Gesichter gehabt, sie hat fast einen VfL und überhaupt: Stuttgart ist die Perle des ääh ganzen äh Landes ääh Baden-Württemberg. Darum sehen wir heute Abend gern zu, wie unsere Nationalmannschaft sich dort gegen Portugal ins Zeug legt.
Dann spielt auch Marcell Jansen, sogar von Beginn an. Das erste Mal. Jürgen Klinsmann will Spektakel, keine sicheren Siege, deshalb habenVfOli und VfMarcell so selten gespielt. Jetzt im letzten Spiel gilt es aber, den dritten Platz zu sichern. So gewährleisten die beiden, wenn sie schon nicht Weltmeister werden, zumindest ein standesgemäßes Ende dieses Welt-Turniers.
Freitag, 7. Juli 2006
empfehlung #28: generös sein
Da Borussia bisher nicht überwiesen hat, begann Lisztes über die Medien Druck zu machen, insbesondere die lieben Kollegen von der Seitenwahl machten (auch auf diesem Blog) auf die überfällige Auszahlung aufmerksam. Nun ist es nicht an uns, das Geld herauszurücken, aber ein Anruf von uns bei Peter Pander, ein kurzer Smalltalk mit Präsident Königs, und die Sache war geregelt.
Von der schnelle Lösung der monetären Missstimmung begeistert, zeigte sich Kris generös. Er machte es Warren Buffett gleich und spendete 85% seines Vermögens der Bill-Gates-Stiftung, das sind beachtliche €31,25 (aufgerundet). Gates zeigte sich bereits dankbar und voller Demut: "Die Welt braucht Menschen wie Warren, Krisztian – und vor allem mich."
Für uns findet damit ebenfalls ein Kapitel selbstloser Aufopferung ein Ende, wir stellen unser Chronistendasein der Lisztes'schen Leistung ein und entfernen den Bonus-Counter nächste Woche von unserer Seite. Mögen unser Leser ebenso großherzig sein wie der Ungar, der sich trotz seiner vielen Verletzungen das Gespür bewahrt hat für die, denen es noch schlechter geht als ihm.
Donnerstag, 6. Juli 2006
empfehlung #27: frech werden
„Herrschaften,
vorhin im Flur habe ich wieder einmal diesen Mokel getroffen, der sich bei uns Geschäftsführer nennt. Und sogleich dachte ich an Sie alle, die versammelte Mischpoke, die diesem Mann den Rücken stärkt.“
So oder so ähnlich könnte man anfangen. Treiben Sie es mal wieder so richtig auf die Spitze. Werden Sie frech, und lachen Sie über die Warner und Kleinbeigeber. Lassen Sie es sich mal wieder richtig gut gehen. Im harmoniegeschwängerten, auf Freundlichkeit gekrempelten Deutschland dieser Wochen wird es uns doch wohl gelingen, ein bißchen Unmut zu sähen. Dieses WM-triefende Gemeinsamkeitsgewäsch ist schließlich nicht länger zu ertragen. Lassen Sie, ganz nach Belieben, auch Sentenzen dieser Art einfließen: „Sie kleinen Waschbären sind zwar alle zu arm, um sich ein Haus in Kalifornien leisten zu können, aber immerhin sind Sie genauso erfolglos wie Klinsi!“
Mittwoch, 5. Juli 2006
empfehlung #26: auf die bundesliga freuen
Unser knappes Fazit: Wer VfOli erst so spät bringt und VfMarcell gar nicht, der darf sich nicht beklagen, wenn er verliert. Traurig, fürwahr, aber wahr, fürwahr.
Nach bald vier Wochen Gekicke, das meist per definitionem kein Fußball war, ist es Zeit, sich auf die Bundesliga vorzufreuen. Gladbach startet mit einem Heimspiel in die Saison, Gladbach beendet die Saison mit einem Heimspiel und insgesamt können wir 34 Mal VfL in der ersten Spielklasse sehen. Darauf sollte man sich langsam eingrooven und vorfiebern, anstatt mit verheultem Deutschland-Makeup und hängendem Kopf durch triste Fußgängerzonen zu wandeln, in denen gestern am späten Nachmittag noch bedauernswerte Gestalten mit nacktem, fetten Oberkörper in jede zur Verfügung stehende Kamera hoffnunsgfroh "so sehen Sieger aus, so sehen Sieger aus" lallten.
Ob wir vielleicht am Ende der Bundesligasaison dann gern diesen Satz schreiben werden: "die Arbeit war nicht umsonst, es ist beeindruckend was geleistet worden ist, darauf kann man aufbauen, diese Mannschaft wird in vier Jahren auf ihrem Höhepunkt sein, wer hätte das gedacht noch vor wenigen Monaten"...?
Dienstag, 4. Juli 2006
empfehlung #25: vfl sehen – marcell statt frings
Die offensichtlichste Lösung fällt wieder einmal keinem ein: Marcell Jansen! Unser Gladbacher Allrounder kann gleichermaßen Sturm wie Abwehr spielen, da ist es ihm auch wurscht, ob er die Außenbahn entlang hetzt oder zentral für Furore sorgt. Besser als der Rest ist er allemal.
Da aber Klinsmann kein Freund der sicheren Siege ist, sondern viel mehr als Fußballtrainer ein Dramatiker ist, wird es so nicht kommen. Und, wie immer, wird deshalb lange alles offen sein. Und, wie immer, wird gegen Ende ein VfLer kommen und alles in letzter Minuter richten. Wie schon einmal, und wie davor auch schon und eigentlich immer.
Es gäbe auch eine einfache Version. Aber so werden Marcell und Oli halt kompliziert Weltmeister. Schade nur um die sympathischen Italiener!
Montag, 3. Juli 2006
empfehlung #24: kay-sölve anschmachten
Das erste Ritual ist in der Regel das Zu-lange-im-Bett-liegen-
bleiben, das Den-Wecker-noch-einmal-auf-Schlummerfunktion
-würgen, das Dann-gehetzt-unter-der-Dusche-zittern, das Schnell-einen-Espresso-und-eine-Portion-"Special K"-stürzen. Der einzige Trost in dieser trostlosen Praxis bietet sich in ZDF-Morgenmagazinwochen. Gerade in diesen Wochen ist man der Seelenpflege und Erbauung auch besonders bedürftig, sind sie doch allzu oft Cherno Jobatey-Wochen, in denen der Tag mit kenntnislos gequäkten Simulationen von Journalismus beginnt, mit dem Anblick dieses "nichtswürdigen Nichts", wie ihn Götz Alsmann einst treffend beschrieb.
Aber dann. Dann kommt zur vollen und zur halben Stunde – sie! Die Bezaubernde, die oft schelmenhaft Lächelnde, die frühmorgens manchmal noch leicht Zerzauste, die mal bebrillt Lehrerhafte, mal kontaktbelinst Kesse. Sie, die stets so mit Ben Wettervogel einen Flirt andeutet, dass der Zuschauer weiß: Eigentlich bin ich gemeint! Sie – Kay-Sölve Richter, die liebreizendste Nachrichtendame seit der Erfindung von Dagmar Berghoff.
Kay-Sölve-Richter-Wochen sind Wochen, in denen ich gern aufstehe. Sie paart journalistische Kompetenz mit Wortwitz, präsentiert die Nachrichten mit dem unausgesprochenen Einverständnis, dass so früh am Morgen ohnehin niemand wirklich hinhört und ein kleiner Kalauer am Schluss doch lebenswichtiger ist als die Frage, wie lange Merkel in der Nacht mit Kurt Beck Händel betrieben hat. Sie ist ein Vorbild der guten Laune am frühen Tag, doch stets mit dem Unterton, dass sie eigentlich lieber im Bett liegengeblieben wäre (wie auch wir). Kay-Sölve, Danke, dass es Dich gibt! Wir sehen uns morgen, so gegen acht.
Sonntag, 2. Juli 2006
empfehlung #23: in alten zeiten schwelgen
Etwas traurig ist dieser Wechsel dennoch. Schließlich hätten wir gern gesehen, wie er sich unter Jupp Heynckes zum Leistungsträger entwickelt. Die Hauptsache für ihn ist, dass er das Unmögliche möglich macht und in Köln glücklich wird. Die Hauptsache für die Borussia ist, dass dieser Wechsel nicht als erstes Anzeichen verfehlter Personalpolitik unter Heynckes missverstanden wird.
Wie dem auch sei: Was der VfL an Broich hatte, das darf man sich heute noch einmal vor Augen führen. Dafür muss man gar nicht so weit sehen, denn im März noch hat er uns Rede und Antwort gestanden.
Samstag, 1. Juli 2006
empfehlung #22: portugiesischen wein trinken
Nur ganz selten schwingen sich empor und schlagen Schlachten, nur wenn es sich nicht verhindern lässt. Und wenn der Gegner, der Feind, hinreichend unsympathisch ist. Heute hat Portugal einen wunderbaren Kampf gewonnen, aber die Schönheit, die Eleganz dieses Sieges wird erst deutlich, wenn man umgekehrt formuliert: Heute hat England mal wieder ein wichtiges Spiel verloren.
Danke, Portugal. Traurige Fans von der Insel, Tore ins Herz der Engländer, bestensfalls dann, wenn diese - als Zeichen vermeintlicher Stärke - mal wieder ihre Nationalhymne auf den Rängen zelebrieren, verschossene Elfmeter im Angesicht der eigenen Unzulänglichkeit - was gibt es Schöneres! Wieder wähnten sich die Engländer als designierter Weltmeister, wieder fahren sie frühzeitig heim.
Fußballgott, du bist wunderbar! Du warst es auch, der dem Schiedsrichter beim vorentscheidenden Elfmeter die Chuzpe verlieh, einen bereits verwandelten englischen Strafstoß wiederholen zu lassen und auf diese Weise einen neuen Versager zum Leben zu erwecken. Mögest Du den Thommys nun die Kraft geben, ihre altbekannten Klagelieder anzustimmen, ihr larmoryantes Selbstmitleid auszuleben. Sicher, ihnen ist übel mitgespielt und sie sind benachteiligt worden, zu Unrecht ausgeschieden, waren die bessere Mannschaft, werden von den Schiedsrichtern nicht gemocht usf.
Wieder einmal macht uns dies alles große Freude. Und diesmal verdanken wir es - den Portugiesen. Nichts von alldem Schönen, für das Portugal steht, können wir so ohne weiteres haben. Aber ein Fläschchen portugiesischen Wein gibt es in jedem Supermarkt. Vielleicht sogar auch eine Forza-Euro 2004-CD. Machen Sie es sich gemütlich. Prost!