Mittwoch, 25. Mai 2011

ein verdienter abstieg

Selten wohl ist der VfL verdienter abgestiegen als in dieser Saison. Die Mannschaft von Karsten Baumann, die vor einigen Wochen von Jo Enochs und seit einigen Wochen von Heiko Flottmann trainiert wurde, war gestern im entscheidenden Relegationsspiel gegen Dynamo Dresden beinahe schon zu bemitleiden. Sie hat gekämpft und sich aufgerieben und doch hilflos einsehen müssen, dass sie nicht in die 2. Bundesliga gehört.

Natürlich gibt die Saison Rätsel auf. Überzeugende Siege gegen den souveränen Zweitligameister Hertha BSC oder den Berliner Nachbarn Union scheinen nicht recht zum jetzigen Untergang zu passen. Dass der VfL gegen Union Berlin etwa vier Tore in einem Spiel geschossen hat, wirkt aus heutiger Sicht wie ein Fußballwunder, denn ungefährlicher und ratloser als in den vergangenen Wochen hat man selten eine Osnabrücker Mannschaft nach vorn spielen sehen. Die Erfolgserlebnisse der Saison dürften die Ergebnisse von außerordentlichten Kraftakten gewesen sein, und wer einen Kraftakt braucht, um Union Berlin zu schlagen, der bekommt ein Problem.

Bemerkenswert gestern war, wieder einmal, das Publikum. Es gab so gut wie keine Pfiffe. Das ist andernorts schwer vorstellbar, und es war auch in Osnabrück schon anders, aber diesem Team war anzusehen, dass es an seine Grenzen gegangen ist. Beinahe wäre der VfL sogar mit dem bläuesten vorstellbaren Augen davon gekommen und hätte sich in der 2. Bundesliga neu sortieren können, doch Dynamo Dresden musste nicht einmal großartigen Fußball spielen, um diesen Traum zu zerstören. Im Gegenteil: Zwischenzeitlich schien es das Beste, wenn künftig beide Mannschaften in der 3. Liga spielten.

Was bleibt, ist ein einigermaßen ramponierter Sportdirektor Lothar Gans. Ihm ist es nicht gelungen, gemeinsam mit Trainer Karsten Baumann eine konkurrenzfähige Mannschaft zu formen; und nach der Baumann-Entlassung hat er das Team mutig, vermutlich gar übermütig, in eine fragwürdige interne Interimslösung gewunden, nach der zwei völlig zweitliga-unerfahrende Übungsleiter den Karren aus dem Dreck ziehen sollten - zu jener Zeit wohl sogar für einen Fachmann schon eine Herkulesaufgabe.
Wenn nun stimmt, was die gewöhnlich gut informierte Neue Osnabrücker Zeitung heute mutmaßt, dass noch keine konkreten Verhandlungen mit einem neuen Trainer geführt wurden, obwohl seit Wochen feststeht, dass Jo Enochs und Heiko Flottmann vernünftigerweise nicht weitermachen, dann muss man Gans tatsächlich in einer schweren Formkrise wähnen. Mit anderen Worten: So lange, wie man sich in Osnabrück auf den heutigen Tag hat vorbereiten können, müsste eigentlich umgehend ein neuer Trainer mit Plan und Perspektive vorgestellt werden können.

Ein fußballerischer Plan fehlt dem VfL länger schon. In der vergangenen Aufstiegs-Saison ließ sich das noch mit Routine kaschieren. In diesem Jahr flogen Trainer, Team und Manager auf. Was man den Mannschaften von Pele Wollitz immer zugute halten konnte - sie wussten, wenn auch die Mittel oft fehlten, immerhin, welche Art Fußball sie spielen wollten -, stagniert beim VfL seit Monaten. Daran müssen die Verantwortlichen dringend arbeiten.
Dass nur sechs Spieler des aktuellen Kaders auch einen gültigen Vertrag für die dritte Liga haben, ist dabei eher Segen als Fluch. Denn wenn der VfL wieder attraktiven Tempofußball spielen will, dürften Akteure wie Schmidt, Kotuljac, Barletta oder Diabang dazu wohl wenig beitragen können. Es reicht schon, dass einer wie Jan Tauer womöglich weiter mitmachen wird, der die fußballerischen Fertigkeiten eines 80er-Jahre-Verteidigers nachträglich adelt.

Nun muss es voran gehen, denn wer seit 2001 vier Mal abgestiegen ist, für den geht die Welt nicht unter. Auch was die finanzielle Situation des Vereins angeht, gibt es nicht nur negative Nachrichten: Wer mit erbärmlichen 31 Punkten am Saisonende noch ein ausverkauftes Stadion als Zusatzeinnahme verbuchen kann, verdient mehr, als ihm eigentlich zusteht. Und als Drittligist verspricht der DFB-Pokal garantierte Heimspiele gegen bestenfalls prominente Gegner.

"Ist doch eigentlich besser", sagte gestern jemand in Osnabrück, "man leidet oder freut sich mit dem VfL, wo es jedes Jahr um alles geht, als zum Beispiel Fan von Alemannia Aachen zu sein. Da wirst du jedes Jahr Achter."

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Herzliche und völlig neidlose Glückwunsche zu Deiner präzisen Abstiegsvorhersage vom letzten Sommer, Maik!
Mit Aue, Frankfurt und Union hast Du dreimal richtig gelegen.

Anonym hat gesagt…

Klasse Blog, trifft die Situation genau! Nächstes Jahr gehts dann wenigstens wieder nach Münster.

Und an der Situation wie du sie mit Lothar Gans geschildert hast, sieht man ja das es mal Zeit äre für einen Tapetenwechsel. Denn wer bei einem Jahreseinkommen von 350'000€ es nicht schafft pasend zum Abstieg einen gescheiten Trainer zu verpflichten, der ist fehlt am Platz.