Gladbachfan zu sein, ist kein Zuckerschlecken. Daran hat man sich irgendwann ab den Achtzigern gewöhnen können. Der VfL ist nicht Bayern München, eher gleicht er in seinen strukturellen Möglichkeiten Vereinen wie – ich gebe zu, es tut weh, dies niederzuschreiben – Eintracht Frankfurt oder dem FC Köln. (Damit soll nicht gesagt sein, dass man einem dieser Clubs wirklich ähnlich ist, kaum bestreitbar ist man ihnen aber ähnlicher als dem FC Bayern oder auch dem FC Barcelona.)
Man muss sich Gladbachfans dennoch als glückliche Menschen vorstellen: Wir sind Kummer gewohnt und können uns über Erfolge entsprechend freuen. Ganz anders der Typus Bayernfan: Ein Titel ist da Jahr um Jahr Pflicht, freuen kann man sich eigentlich nur noch über den Sieg der Champions League, alles darunter ist eine Schmach. Was für ein tristes Dasein!
Gladbacher wissen, was es heißt gegen den Abstieg zu kämpfen. Gladbacher wissen, was es heißt, diesen Kampf zu verlieren und abzusteigen. Gladbacher wissen, dass nicht jeder Tag in der Woche ein Sonntag ist und es kein Menschenrecht auf Titel gibt.
Oder besser: sie sollten es wissen.
Oder besser: die meisten wissen es.
Journalisten wissen es sowieso, aber sie schauen lieber auf die wenigen Fans, die es nicht wissen, weil sich daraus die vermeintlich interessanteren Geschichten machen lassen. Und schreiben dann darüber, dass unter "den Fans" Unmut herrsche. Weil eine Handvoll Träumer ihren Frust in Internetforen abgesondert haben, während die allermeisten Fans besseres zu tun hatten.
In dieser Woche konnte man dann aufgeregte Stücke über den "Zocker" Favre lesen. Eine absurde Debatte, wenn man sich die Spielbelastung der Mannschaft in den letzten und in den kommenden Wochen vor Augen führt, beispielsweise allein die weite Reise zur Nationalmannschaft von Arango. Man hat den Eindruck, wann immer Gladbach nicht spielt wie ein Meisterschaftskandidat, läuft etwas grundlegend schief am Niederrhein. Dabei ist das einzige, was momentan in Gladbach wirklich ein Aufreger ist, die absurde Erwartungshaltung weniger sogenannter Fans und die geradezu hanebüchen dumm-dreiste Berichterstattung vieler sogenannter Journalisten darüber.
Auf Zypern hat Gladbach diese Woche einen Punkt geholt, ein Sieg wäre mehr als nur möglich gewesen. Hätte Hanke nicht den Pfosten getroffen, hätte Wendt den Elfmeter verwandelt – Gladbach wäre nun Tabellenführer in seiner Gruppe und alle wären angetan von Favres Weitsicht. In Leverkusen hat Gladbach vorhin den zweiten Punkt der Woche geholt, diesmal konnte man mehr als zufrieden damit sein. So ist Fußball.
Natürlich läuft noch lange nicht alles rund in Gladbach. Aber wer davon überrascht ist, der ist ein Traumtänzer. Haben denn alle, die nun unzufrieden maulen, vergessen, wo dieser Verein herkommt? Wie wir vor 18 Monaten schon sicher mit einem Abstieg gerechnet haben? Welche Spieler wir nach der letzten Saison abgeben mussten?
Mir ist es schleierhaft, wie in der aktuellen Situation im Umfeld des Vereins so viele "bad vibrations" aufkommen können, wie es derzeit der Fall ist. Wer die Fohlenelf derzeit spielen sieht, kann sehr sicher sehen: Mit dem Abstieg hat diese Mannschaft nichts zu tun. Gladbach spielt wie eine Mittelfeldmannschaft und wahrscheinlich IST Gladbach in diesem Jahr eine Mittelfeldmannschaft. Das ist nicht sexy, aber das ist viel wert, gemessen an der Geschichte des Vereins in den letzten 10, 15 Jahren. Darüber könnte man sich freuen, und über jeden Schritt, der weiter nach oben geht, wenn diese Mannschaft sich erst einmal neu formiert hat. Wer mehr will, soll halt Bayernfan werden.
Sonntag, 23. September 2012
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4 Kommentare:
Ihr sprecht mir aus der Seele! Schön, dass Ihr wieder aktiv seid. :-)
Hervorragender Text zum Bälle-flach-Halten und die-Kirche-im-Dorf-Lassen.
Prima Text, unaufgeregt, richtig. Geduld haben wir seit geraumer Zeit. ich denke auch, dass wir noch n bissel Zeit benötigen, derzeit knirscht es noch und kein Spieler in Sicht, den wir auf der Bank haben, der einen hoffnungsvoll werden lässt. Doch ich glaube, wir fangen uns. Mittelfeld is doch super - Eurocup ernst nehmen !
Wer 30 Mio. für Neuzugänge ausgibt muss sich nicht wundern wenn Fans und Medien mehr als nur einen 12. Platz erwarten!
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