Am Ende dieser langen Spielzeit hatte die Borussia gerade noch genug Körner, um Siege gegen antriebslose Mainzer und eine Liga zu hoch versetzte Kölner einzufahren. Die tristen Unentschieden daheim gegen Hertha oder Augsburg hatten zuvor schon gezeigt, dass Gladbach am Limit war, körperlich und mental. Das kann niemanden verwundern, der diese furiose Saison, die erfolgreichste des Jahrtausends, richtig einzuordnen weiß. Dass den Fohlen schon vier, fünf Spieltage vor Schluss die Champions League-Qualifikation quasi nicht mehr zu nehmen war, ist der eigentliche Ausweis für eine außerordentliche Leistung.
Lucien Favre, der Vater dieses Erfolgs, badet ungern darin. Dafür ist er zu akribisch und zu bescheiden. Und, ehrlich gesagt, einfacher ist es auch, sich zurückzunehmen. Nach großen Siegen mag es schwerfallen, sich nicht dafür feiern zu lassen, wer jedoch dem Tänzchen vor den Fans widerstehen kann, profitiert spätestens davon, wenn es mal nicht so gut läuft.
Genau das dürfte nach Favres Geschmack sein. Er will in Ruhe gelassen werden, und schließlich lässt sich auch diese Ruhe ja ganz gut als Eigenart inszenieren. Die Spieler feiern, der Coach genießt still oder ärgert sich oder tüftelt bereits auf's Neue. Dieser Mix, diese Ausgeglichenheit funktioniert nun eineinhalb Jahre favrelhaft.
Nach dem letzten Heimspiel gegen Augsburg mokierten sich einige Fans, wie sehr Favre sich hatte bitten lassen, bevor er nach dem Abpfiff noch einmal zu den Fans ging - und wie schnell er wieder in den Katakomben war. Die Anhänger wollten länger mit ihrem Coach feiern, aber ihm war es lieber, zügig wieder drinnen zu sein. Dort verweigerte er jedes flammende Bekenntnis, künftig als Coach in Gladbach weiterzuarbeiten. Auch das missfiel vielen, die sich genau so ein Bekenntnis erhofft hatten. Doch so tickt Favre nicht. Er verweigert sich öffentlich aller Sentimentalitäten. Auch dieses demonstrative Fokussieren nur auf das nächste Spiel dient seiner Auffassung von Glaubwürdigkeit.
Nun darf man getrost annehmen, dass Favre schon recht lange einen Plan hat, unter welchen Bedingungen er auf einen anderen Trainerstuhl wechseln würde und wann er bleibt. Genauso spricht schon seit einigen Wochen viel dafür, dass er bleibt. Seit klar ist, dass Gladbach um die Champions League mitspielt, fehlen nahezu allen anderen Klubs die Argumente. Nicht nur, dass an allen anderen Standorten eine Mannschaft nach Favres Wünschen erst geformt werden müsste, während das Grundmuster - trotz der Abgänge - in Gladbach steht und seine Spielidee verstanden ist. Auch was den internationalen Ehrgeiz angeht, ist Leverkusen in der kommenden Saison nicht konkurrenzfähig, und Köln und Berlin sind ohnehin keine Alternativen mehr, sondern allenfalls Lachnummern. Einzig ein Rücktritt von Jupp Heynckes in München könnte die Vorzeichen ändern. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber, dass Favre noch ein Jahr in Gladbach dranhängt.
Diese nächste Saison dürfte recht wahrscheinlich weniger erfolgreich werden als die vergangene. Dann zahlt sich aus, dass Favre sich nicht als Held hat feiern lassen. Im Mai 2013 kann er das dann nachholen, wenn Borussia Siebter ist, erneut mitspielen darf im internationalen Wettbewerb - und Favre den nächsten Schritt macht.
1 Kommentar:
Schön geschrieben.
Trotzdem wird es hier als Tatsache dargestellt, dass Favre sich spätestens 2013 aus dem Staub macht. Und das selbst, nachdem so treffend die Gladbacher Argumente für einen Verbleib von Favre aufgelistet wurden. Favre beschwerte sich als er bei Gladbach begann darüber, dass in Deutschland Alles vorhanden wäre, bis auf längerfristiges Vertrauen in Trainer. Jetzt hat er in Gladbach dieses Vertrauen und kann hier ein System im Verein implementieren. Warum zum Henker, sollte er zu einem Verein ala Bayern München gehen, bei dem er keine Chance hat ein langfristiges System einzuführen, was sowohl an den vielen fertigen Spielern liegt, aber auch an der Erwartungshaltung der Münchner, die ihn sicher sofort entlassen würden, wenns mal 3 Spiele nicht läuft. Das macht keinen Sinn.
Favre wird verlängern, wenn ihm Eberl seine 1-2 verbleibenden Wunschtransfers erfüllt, denn das Einzige, was Favre zögern lässt im Moment, ist sein Hertha-Trauma. Xhaka ist ein guter Anfang, wenn jetzt noch 1-2 Kracher kommen, wird Favre verlängern, da gehe ich Wetten in unbegrenzter Höhe ein.
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