Bis nach 22 Uhr stand Pele Wollitz im
Presseraum der AOL-Arena neugierigen Journalisten Rede und Antwort, ehe er, von ihnen in Ruhe gelassen, zur ebenso dort lauschenden kleinen Runde um Präsident Dirk Rasch und Manager Lothar Gans eilte und sagte: "Es tut mir leid!" Da standen sie also, die Macher beim VfL, und - das ist das einzig Beruhigende an einem Abend der großen Enttäuschung - sie stehen nicht nur in Hamburg ganz eng beieinander. Mit großer Gelassenheit strahlen sie aus: "Wir schaffen es, und wir schaffen es gemeinsam. Wenn auch vielleicht nicht in diesem Jahr."
Dem war eine erschreckende Darbietung vorausgegangen, ein Spiel, das die Hamburger Amateure ohne weiteres auch mit sieben oder acht Treffern hätten beenden können, wenn Frederik Gößling nicht glänzend gehalten hätte. So hieß es am Ende 2:4, und wie genau dieses Ergebnis zustande kam, soll uns an dieser Stelle nur insoweit scheren, als die Leistung einiger Spieler derart unterirdisch war, dass die VfL-Fans etwa ab der 70. Minute "Wir ha'm die Schnauze voll" skandierten - und damit ihrem Trainer aus der Seele sangen.
Wollitz nahm dann auch nicht länger ein Blatt vor den Mund. Er redete Klartext, auch öffentlich, und das ist eine neue Qualität, die zeigt, wie enttäuscht auch Wollitz vom Schaffen einiger seiner Eleven ist. Daniel Cartus, Jan Schanda und wohl auch Dominique Ndjeng werden, so mutig darf man spekulieren, wenn nicht in diesem, dann in gar keinem Jahr mehr mit dem VfL aufsteigen.
Für die Blockade bei einigen jungen Spielern nach dem frühen Rückstand hatte der Trainer noch einigermaßen Verständnis. "Viele Spieler sind zu mir gekommen und haben sich bei mir entschuldigt." Auch dass nach dem 0:1 in der 2. Minute vielen die Muffe ging, weil "der nächste Konter das Ende bedeuten kann", mochte Wollitz noch verstehen. Doch eben der Fehler, der Ndjeng vor dem frühen Gegentor unterlief: "Bei allem Respekt - und ich mag den Dominique Ndjeng menschlich sehr -, das geht nicht. Nach so einem Fehler braucht sich der Spieler hinterher auch nicht hinstellen und sich entschuldigen. So etwas ist nicht zu entschuldigen. Es gibt im Fußball keine Entschuldigungen, und Mitleid gibt es schon gar nicht. Sowas darf einfach nicht passieren!"
Was sich liest wie ein Donnerwetter war der Anfang eines Orkans, der Daniel Cartus wegfegte. Cartus, der seit Wochen bahnbrechend schlechte Leistungen abliefert, bekam ein Zeugnis in Sachen Laufbereitschaft, Einsatzwillen und Körpersprache ausgestellt, das wir hier anstandshalber nicht zitieren wollen; auch Jan Schanda wurde von dem Unwetter erfasst. "Ich hab kein Bock mehr auf dieses 'für sich, für sich, für sich'. Es geht hier um einen tollen Traditionsverein und nicht um irgendeinen Einzelnen!"
Frederik Gößling zum Beispiel, aber auch Daniel Chitsulo und Addy Menga - der, obwohl bei seinem Comeback noch nicht wieder topfit, erschreckend offenbarte, woran es der Osnabrücker Offensive lange mangelte -, Jo Enochs natürlich und Thomas Cichon - der nach dem Spiel noch lange mit Lothar Gans enttäuscht auf der Ersatzbank saß und haderte - sind Charaktere, auf die der Verein stolz sein kann, weil sie auf ihn stolz sind, und die es nun für die kommende Spielzeit zu halten gilt. Genauso wichtig aber ist, den Kader endlich in der Breite qualitativ nachzurüsten. Genau dies hatte Wollitz eigentlich schon in dieser Spielzeit erledigt geglaubt.
"Wir haben den Kader breiter gemacht, ich finde auch in der Breite stärker", sagte er im vergangenen Juli im VfLog-Interview. Das hat sich als Trugschluss erwiesen, und hinterher ist man immer schlauer.
Wenn der Verein sich nun halbwegs sicher auf eine weitere Saison in der Regionalliga einstellen muss, kann einem unwohl werden, denn in der kommenden gibt es Druck von oben und von unten: Aufsteigen muss bestensfalls das Ziel lauten, doch um sich im erneuten Misserfolgsfall anschließend für die neue eingleisige dritte Liga zu qualifizieren, müsste der VfL mindestens Zehnter werden. Dass sowas nicht immer perfekt planbar ist, diese Erfahrung macht gerade der VfB Lübeck. Trotzdem: In dem Wissen, dass sich
dieses Management und
dieser Trainer einem neuen Anlauf stellen, lässt sich ruhig schlafen. Sie arbeiten professionell und mit Leidenschaft, und sie identifizieren sich vollkommen mit dem Verein.