Donnerstag, 10. Mai 2007

plopp, und wir sind tot

Da ist ein Traum geplatzt /
und die Zeit wird knapp.
Johnny Liebling

Wir müssen sterben. Alle. Das gehört zu den unabweislichen Realitäten im Leben. Dass die Endlichkeit der eigenen Zeit seine Vorteile hat, mag man vor allem am Anfang noch gerne zugestehen. Und dann kommt irgendwann das, was mal midlife-crisis heißt, mal Torschlusspanik, wie auch immer. Dann ist die Endlichkeit kein Ansporn mehr, sondern Drohung. War das schon alles? Ich habe mein Leben bisher doch nur vertan, getändelt, zuviel ferngeschaut, zuwenig geliebt, zuviel schlechten Wein gesoffen, zu wenig guten, zuviele Pauschalreisen gemacht, zu selten meinem Chef gesagt, dass ich jetzt gehe, zu, zu, zu...

Glücklich wird mit diesem Gejammer niemand, das ist klar. Es kommt immer dann auf, wenn die Zukunft nichts mehr zu bieten, die eigene Geschichte schon fertig erzählt scheint, oder man den eigenen Zukunftsplänen nicht mehr trauen mag, mit denen man sich vor dem Schlafengehen früher selbst getröstet hat.

Der Mensch und seine Geschichten! Wie betörend können sie sein. Bergleute im eingestürzten Schacht haben sich das Leben gerettet, indem sie sich Geschichten erzählen bis Hilfe kam, Bankräuber mit Geiseln werden sanft, wenn sie von ihrem verpatzten Leben reden dürfen und von den Kindern ihrer Gefangenen hören. Geschichten geben Hoffnung, solange man sie glauben mag.

Unsere Geschichte der letzten Monate war die gemeinsame 2. Liga der VfLs. Ein Aufstieg von Osnabrück hätte dem elenden Leiden in Gladbach einen kuriosen Sinn gegeben. Wir haben uns! - Was brauchen wir da Bayern, Stuttgart, Bremen, hätten wir als klassische coocooner der Fußballliebe geschnurrt und uns aneinander gekuschelt.

Heute abend ist klar: Diese Geschichte ist ein Märchen. Wir haben uns bittere Wochen damit schöngeredet, aber wahr wird das nicht. Osnabrück verliert in Hamburg. Plopp macht die Seifenblase und der Traum ist geplatzt.

Wir müssen sterben. Alle, irgendwann. Da sollte man nicht immer nur in Zeiträumen von Stunden, Tagen, vielleicht Wochen denken, sondern auch das Große sehen. Ein Winzer sagte mir einmal, ihm sei jeden Tag im Weinberg bewusst, dass er in seinem Leben vielleicht dreißig Weinjahrgänge hat, mehr nicht. Versaut er einen, kann er das erst in einem Jahr wieder gutmachen, anders als Fußballer, Musiker, Blogautoren.

Jeder von uns hat im Leben, je nachdem wann er Fan wurde und wie lange er lebt, vielleicht 40 Ligasaisons, 50, 60 wenn es hochkommt. Jetzt, wo der Traum der lila Liga 2 geplatzt ist, ist wieder ein Jahr verschenkt. Die Zeit wird knapp, jede Sekunde ein bißchen mehr. Genießen wir diesen traurigen Abend.

Keine Kommentare: