Sonntag, 1. Oktober 2006

eine ehrliche haut

Es waren nicht einmal drei Minuten gespielt gestern im Regionalliga-Match gegen Hertha II, da ermahnte der gute Schiedsrichter Josef Maier VfL-Coach Pele Wollitz erstmals zur Ruhe. Wollitz zeigte sich reumütig, streckte die Hand zum Shakehands, und Maier schlug ein. In diesem Moment, den einige Zuschauer im Gedenken an einen anderen Meier als willigen Anlass für „Kopfnuss“-Sprechchöre nahmen, war bereits klar: Es geht um viel, und Wollitz steht unter Hochspannung. Wie immer. Zugleich konnte jeder, der wollte, hier bereits zum ersten Mal sehen, dass Wollitz genau weiß, wann er Grenzen überschritten hat und dass er dafür sofort „Sorry“ sagt.

Anschließend konnten 5.500 Zuschauer, darunter 27 Fans aus Berlin, ein ganz launiges Regionalliga-Spiel mit ansehen. Vieles von dem, was sich ganz zu Anfang abzeichnete, sollte sich bis zum Schluss nicht ändern: Die erste Chance für Daniel Chitsulo zum Beispiel führte in der 14. Minute nicht zum Tor: Nouri hatte sehenswert auf Menga gepasst, der sich – zweite Konstante – unglaublich zweikampfstark durchsetzte und traumhaft auf Aziz weitergab, letzterer flankte – und Chitsulo verwertete nicht. Außerdem trat der VfL auffällig offensiv auf. Die beiden Außen in der Viererkette – Marko Tredup und Andreas Schäfer – stießen immer wieder mit in die Offensive vor und sorgten oft für genau das Überzahlspiel, aus dem dann sehenswerte Chancen resultierten.

Diese drei Konstanten führen notwendig zum Endergebnis: Chitsulo versuchte unermüdlich, ein Tor zu schießen, was ihm teilweise haarsträubend misslang; der VfL gewann deshalb nur 2:0. Menga machte folgerichtig beide Tore. Und hinten war der VfL das ein oder andere Mal anfällig für Konter, weil gerade im Umschalten von Angriff auf Abwehr noch nicht alles so funktioniert, wie Wollitz sich das vorstellt.

So weit, so gut. Das darf man trotzdem sagen, denn der VfL gewann das Spiel gegen die Hertha Amateure hochverdient und eigentlich zu knapp. Menga schoss in der 19. Minute ein Traumtor, als er den Ball mit dem Rücken zum Tor am Sechzehnmeterraum zugepasst bekam und in die Luft hob, sich tänzelnd um einen Gegner drehte, volley abzog und zusehen konnte, wie der Ball links unten im Tor einschlug. Menga schoss in der 82. Minute makaayesk das 2:0, nachdem er fabelhaft von Aziz freigespielt wurde und von halblinks allein auf Torhüter Pellatz zulief. Das war eine Gala-Vorstellung. Sie zeigte, wie stetig und doch auch explosionsartig sich Menga seit der vergangenen Saison entwickelt hat. Hertha-Trainer Karsten Heine sagte anschließend in der Pressekonferenz, die beiden Angriffsspitzen des VfL seien für Regionalliga-Verhältnisse erste Sahne. Die hätten gewirbelt, „das war schon toll!“

Die Rückkehr von Alexander Nouri ins lila-weiße Team ist außerdem gar nicht überzubewerten. Wie er als Schnittstelle zwischen Abwehr und Angriff die Fäden wenn einmal nicht selbst zieht, so doch zumindest immer in der Hand hält, wie er aufmuntert und als Führungsspieler anerkannt wird, das ist mehr als offensichtlich. Gut, dass er zurück ist. Mit ihm und mit den starken Bilal Aziz, Jo Enochs und Dominique Ndjeng hatte der VfL, abgesehen von einigen wenigen Aussetzern, stets die Oberhand. Teilweise wurde im Spiel nach vorn gar schon ansehnlich, klug, sicher und schnell kombiniert. Hier muss Wollitz anknüpfen, die Unsicherheiten hinten muss er abstellen, und er muss dafür sorgen, dass all das künftig auch auswärts funktioniert.

Schwach agierte gestern einzig Jan Schanda, bei dem man sich noch immer fragt, ob die Position im defensiven Mittelfeld für ihn die richtige ist. Vielleicht ist die taktische Variante aber auch nur mangelnder Alternativen geschuldet. Mathias Surmann und Daniel Cartus wurden nicht eingesetzt, und Pele Wollitz stellte im Nachhinein klar: „Die habe ich geschont. Wäre es wirklich um etwas gegangen, hätten beide gespielt!“ Rechnung aufgegangen.

Am Ende steht ein Sieg, der den VfL auf Tuchfühlung zur Tabellenspitze nach Berlin fahren lässt. Die Tabelle rein gerechnet, steht Osnabrück vier Punkte hinter Union und drei hinter Dresden auf Platz Drei. Nicht so schlecht. Dazu passt Wollitz’ Bitte in der Pressekonferenz. Man möge der Mannschaft Zeit geben, nicht mit jedem Rückschlag immer gleich alles in Frage stellen, man solle sachlich Kritik üben und nach Niederlagen nicht sofort einen so enormen Druck aufbauen. „Das ist nur eine Bitte.“ Gerade die jüngeren Spieler hatte in der Vorbereitung auf das Hertha-Spiel „überrascht, wie schwankend das alles ist“. Dieser enorme Druck sei ein Problem, sagte Wollitz. Und zudem sei er gänzlich umsonst, denn es gebe nun einmal keine Übermannschaft in dieser Regionalliga, es gebe viele gute Mannschaften, „dazu gehören auch wir“.

„Wenn diese Mannschaft Zeit bekommt, dann können wir hier einiges Großes erreichen. Dann können wir mindestens unter die ersten Sechs kommen!“ Keiner lacht. Man merkt, es ist ihm ernst. Für ihn wäre nicht nur ein Aufstieg am Ende ein Erfolg, sondern unter bestimmten Umständen auch weniger. Das ist ehrlich, und das tut gut.

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