Samstag, 21. Oktober 2006

sind wir nicht alle ein bißchen tschechow

"Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin", dieser beliebte Ruf der Sehnsucht hallt in ein paar Tagen wieder durch viele Stadien, wenn Amateure wie Profis darum kicken, im DFB-Pokal eine Runde voran zu kommen. Für den VfL führt der Weg nach Berlin über den VfL, und selten hat das Diktum, im Leben sei der Weg das Ziel, soviel Berechtigung wie in diesem Falle.

Borussia fährt allerdings auch heute schon nach Berlin, zu einem ganz normalen Auswärtsspiel gegen die Hertha. Wenn man das verliert, ist man nicht sofort ausgeschieden, ansonsten wären die Fohlen ja ohnehin bereits seit Jahren jeweils am spätestens zweiten Spieltag vom Spielbetrieb der Bundesliga ausgeschlossen worden. Ob wir nachher gewinnen? Keiner weiß es, aber, was schlimmer wiegt: Keiner glaubt es! Wenn Peter Pander einen Sieg ankündigt, dann hat dies viel gemein mit Figuren in Tschechow-Dramen, die in der tiefsten russischen Provinz versauern, stets davon reden "nach Moskau, nach Moskau!" zu reisen, aber doch immer dort bleiben, wo sie sind: Ob sie selbst noch glauben, jemals nach Moskau zu kommen?

Andererseits: Wären sie glücklicher, wenn sie aufhörten zu träumen? Vielleicht wären sie nicht einmal glücklicher, wenn sie irgendwann wirklich in Moskau wären (auch nach einem Auswärtssieg findet der gemeine Fan sicher noch genug zum meckern...). Der Witz bei Tschechow: Er schreibt melancholisch-traurige Dramen und nennt sie Komödien, aus tiefster Überzeugung. Diesen Geist sollten wir in Gladbach kultivieren: Schreiben wir über unsere Auswärtsspiele einfach "Komödie" und zelebrieren wir unsere nie erfüllten Sehnsüchte.

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