Freitag, 15. August 2008

"grundsätzlich ist es so, dass nach wie vor jeder schlecht spielen kann."

VfLog-Interview mit Claus-Dieter "Pele" Wollitz (Teil 2 | Teil 3 | Teil 4)

Die Umstände waren suboptimal, aber die VfLog-Technikabteilung hat nicht für möglich Gehaltenes möglich gemacht. Mit kleinsten Werkzeugen, Lupe, viel Geschick und etwas Gewalt sind die Kollegen der Olympus-Diktiergerät-Kassette Herr geworden und haben den Datenträger in eine andere, intakte Hülle transplantiert. Unser VfLog-Sommerinterview - nicht das erste, nicht das zweite, sondern das dritte! - mit VfL-Coach Claus-Dieter Wollitz konnte zu einigen Teilen gerettet werden. Kosten Sie von dieser leckeren Wundertüte.

Wie geht das Spiel am Millerntor heute aus?

(lacht) Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir da Gründonnerstag drei Punkte liegen gelassen haben, speziell nach dem 1:1 in der zweiten Hälfte, als wir einige Konterchancen hatten. Diese drei Punkte sollten wir uns eigentlich mal wiederholen. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass es nicht so einfach ist, auf St. Pauli zu gewinnen. Doch ich glaube nicht, dass das nicht möglich ist. Die Frage ist: Treten wir anders auf als letzte Woche? Das ist die wichtigste Frage.

Wer wird gegen St. Pauli nicht spielen, der noch gegen Frankfurt in der Startelf stand?

Das sind Themen, die ich grundsätzlich immer nur mit der Mannschaft bespreche oder mit dem jeweiligen Spieler, wenn ich ihn denn rausnehme. Auf der anderen Seite bin ich dafür bekannt, dass ich gerade nach so einer Leistung wie in Frankfurt der kompletten Mannschaft eine neue Chance gebe, sich zu bewähren, auch wenn man das nicht wieder gut machen kann, weil wir aus dem Pokal nun mal ausgeschieden sind. Aber wir müssen zeigen, dass wir besser Fußball spielen können und uns anders auf dem Platz verhalten als letzte Woche. Deswegen kann es auch sein, dass die gleiche Mannschaft aufläuft.

Wissen die elf schon, dass sie spielen?

Nein. Der ein oder andere geht davon aus, dass er spielt, und der ein oder andere geht davon aus, dass er nicht spielt. Das ist gut, das hält die Spannung hoch. Wir haben gestern im Abschlusstraining noch mal das ein oder andere versucht zu üben, müssen aber ganz ehrlich sagen, dass es uns derzeit nicht so leicht fällt, als Mannschaft diese Art Fußball zu spielen, die wir in der letzten Saison gespielt haben. Das ist ein schwieriger, langer Weg, da wieder hin zu kommen. Das hatte ich schon vor zwei, drei Wochen erkannt.

Woran liegt das?

Es gibt mehrere Faktoren: Dass neue Spieler es aufgrund ihrer Passivität, die sie von ihrem alten Verein mitgebracht haben, nicht gewohnt sind, offen zu spielen, mutig zu spielen, überzeugt zu spielen. Man hat Angst vor Fehlern, man hat Angst, dass man nach Fehlern aus der Mannschaft fliegt. Grundsätzlich ist es so, dass nach wie vor jeder schlecht spielen kann, nur es kommt auf die Art an. Wenn einer über Wochen sein Potenzial nicht abruft, bleibt natürlich auch mir irgendwann nichts anderes mehr übrig als zu tauschen. Aber Spielern unter die Arme zu greifen, sie zu unterstützen, ihnen den Rücken zu stärken – ich habe jahrelang bewiesen, dass ich abgeschriebene Spieler zurückhole und ihnen auch und gerade im bezahlten Fußball die Möglichkeit gebe, Fuß zu fassen. Ein neuer Spieler, der fünf, sechs Wochen da ist, der muss sich von dieser Angst vor Fehlern frei machen und diese neue Art, Fußball zu spielen, lernen. Das ist ein schwieriger, längerer Prozess. Grundsätzlich war mir das klar. Was mir nicht klar war: Dass eine Mannschaft nach sechs Wochen ordentlicher Vorbereitung im Spiel in Frankfurt alles vermissen lässt, was man nicht vermissen lassen darf. Von einem anderen Klub hat letzte Woche mal einer von einer großen Wundertüte gesprochen. Für mich war das genau so eine Wundertüte, mit der ich erst einmal umgehen lernen musste. Ich habe meine Kritik öffentlich gemacht, ohne Namen zu nennen. Intern habe ich das knallhart angesprochen. Danach, am Montag und Dienstag, war ich sehr, sehr angetan von der Trainingsleistung. Allerdings: Mit dem Training gestern kann ich wieder nicht zufrieden sein.

Warum nicht?

Weil das nicht so gepasst hat, wie ich das gern in einem Abschlusstraining hätte.

Das heißt?

Abläufe üben, die mir wichtig sind. Auch da gibt es neue Spieler, die das so nicht kennen, die eben sagen, dass in ihren alten Vereinen diese Inhalte einen Tag vor einem Spiel nicht durchgespielt worden sind.

Was meinen Sie mit ‚Abläufe’?

Konkret, wie wir elf gegen elf gegen St. Pauli spielen wollen. Wie können wir es schaffen, drei Punkte zu holen? Das Ziel für mich ist, nach St. Pauli zu fahren und auch dort zu gewinnen. Da gucken mich dann drei Spieler an, die im letzten Jahr noch nicht bei uns gespielt haben und sagen, mit einer knappe Niederlage seien die letztes Jahr zufrieden gewesen. Das ist ja keine Einstellung für mich! Dafür arbeite ich nicht die ganze Woche oder das ganze Jahr oder jahrelang. Wenn St. Pauli einen einstelligen Tabellenplatz erreichen möchte, dann sage ich aus tiefster Überzeugung: Ich sehe meine Mannschaft und unseren Verein auf Augenhöhe mit St. Pauli. Und wenn die Sechster werden, habe ich zur Mannschaft gesagt, müssen wir auch Sechster werden. Wenn ein Verein wie St. Pauli das sagt, müssen meine Spieler insgeheim aus tiefster Überzeugung für sich sagen: ‚Wenn die das schaffen, schaffe ich das auch. Aber ich äußere das nicht, ich zeige das!’ Unabhängig davon, dass ich als Trainer nach außen immer nur sage: Mission 33.

Wie gehen Sie das Spiel heute Abend dann an?

Wir müssen jetzt sehen, wie wir mit dieser Situation fertig werden. Ich möchte die Zeit bis heute, 16 Uhr, wenn wir Mannschaftssitzung haben, noch nutzen, mich zu entscheiden, welche erste Elf aufläuft. Fakt ist, dass Paul Thomik für uns ein herber Verlust auf der rechten Seite ist, weil er ein Pacemaker ist, einer, der das Spiel schnell macht, weil er sich immer im Spiel ohne Ball anbietet. Über Kuka (Konstantin, die Red.) Engel hatten wir gedacht, dass er mehr als nur eine Alternative ist. Wir müssen jetzt aber feststellen, dass da mehr Nachholbedarf ist, als uns lieb ist.

Am Montag, im zweiten Teil des Interviews, lesen Sie, was aus dem Videosystem zur besseren Spielanalyse wird, das Wollitz sich eigentlich als Prämie für's Erreichen der zweiten Pokalrunde gönnen wollte, und wann er letzte Saison am Klassenerhalt zweifelte.

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