Samstag, 16. August 2008

fünf millerntore

Beide Trainer haderten mit einer unglücklichen Schiedsrichterentscheidung, beide Trainer klagten, ihre Mannschaften hätten den Sack nicht zu gemacht, beide Trainer sprachen von einem etwas glücklichen Punktgewinn - und beide Trainer haben dasselbe Spiel gesehen. Wer nicht undankbar sein will, muss sich wohl über einen Punkt am Millerntor freuen - und nicht über zwei verschenkten klagen. Das gilt für St. Pauli und Osnabrück gleichermaßen.
Dabei hatten die Hamburger nach einem "Bilderbuchstart" (Trainer Holger Stanislawski) schnell 2:0 geführt. Florian Bruns profitierte erst entweder vom Fehltritt Darlington Omodiagbes, der von seinen Mitspielern in hohe Not gebracht wurde, oder von der ersten unglücklichen Schiedsrichterentscheidung. Jedenfalls konnte Stefan Wessels den Elfmeter nicht halten, obwohl er in die richtige Ecke segelte. Als nächstes profitierte Bruns von einem katastrophalen Ballverlust Gaetano Mannos, als alle Osnabrücker im Vorwärtsgang waren. Die St. Pauli-Flanke erreichte Bruns, der perfekt das zweite Tor schoss. Anschließend war das Spiel eigentlich schon vorbei.

Für Dominic Peitz war es das wirklich. Der beste Mann vom Pokalspiel in Frankfurt stand in Hamburg komplett neben sich, er war in jeder Hinsicht zu langsam. Auch wenn Coach Pele Wollitz diese Auswechslung extrem schwer fiel, weil er dem jungen Neuzugang die Höchststrafe gern erspart hätte, eine Wahl hatte Wollitz nicht.
Peitz allerdings spielte gemeinsam mit entweder Matthias Heidrich oder Mathias Surmann auch die bemitleidenswerteste Rolle im defensiven Mittelfeld: Sobald sie sich aufmachten, das Spiel zu eröffnen und anzutreiben, tat sich in der Offensive, taten Pierre de Wit, Manno und Thomas Reichenberger: nichts. Kreative Ideen fehlten genauso wie erkennbare Bereitschaft, nach ihnen zu suchen.
Heidrich mühte sich redlich, Struktur ins Spiel zu bringen und die Mannschaft zu ordnen. Wessels bewahrte sein Team zwei Mal vor einem noch höheren Rückstand: in der 13. Minute mit einer starken Fußabwehr nach einem haarsträubenden Patzer von Peitz, in der 35. Minute mit einer Glanzparade gegen einen Schuss von Benjamin Weigelt, der von Heidrich, de Wit und Konstantin Engel beachtlich in Szene gesetzt worden war. Henning Grieneisen versuchte sowohl über die rechte als auch über die linke Seite, endlich so etwas wie ein Angriffsspiel anzutreiben.
Aus dem Nichts fiel fünf Minuten vor dem Wechsel der Anschlusstreffer. Das 1:2 von Thommy Reichenberger hatte de Wit schön vorbereitet.

Fünf Minuten nach der Halbzeit profitierte der VfL entweder vom zweiten Fehltritt Marc Gouiffe à Goufans oder von der zweiten unglücklichen Schiedsrichterentscheidung. Die gelb-rote Karte jedenfalls war für den VfL ein Signal, einen Gang höher zu schalten. Dem Trainer gefiel das so gut, dass er anschließend geradezu ins Schwärmen geriet. Loben sei sonst nicht so seine Sache, diesmal aber müsse er eine Ausnahme machen, so Wollitz: "Mit der Art, wie wir in der zweiten Halbzeit Fußball gespielt haben, kann ich mich identifizieren. Nach dem 1:2 haben wir richtig klasse gespielt, wir haben das Zentrum absolut beherrscht."
Das 2:2 durch Lars Fuchs fiel entsprechend folgerichtig, obwohl den Torschützen bis dahin niemand auf dem Zettel hatte: Er war fast unmerklich für Engel eingewechselt worden und schoss mit dem ersten Ballkontakt den Ausgleich; Henning Grieneisen räumte fortan für ihn seinen Platz im rechten Mittelfeld und rückte auf die Verteidigerposition.

Anschließend hätten Surmann und Manno den Sieg perfekt machen müssen, schossen jedoch stattdessen an den Pfosten bzw. vorbei oder gar nicht. "Am Schluss haben wir ein bisschen Glück gehabt, das muss man ganz klar sagen", sagte Stanislawski.
Am Anfang aber hätte St. Pauli auch gut und gern schon 3:0 oder 4:0 führen können. Die Punkteteilung ist folglich so verdient wie angemessen. Allein die Verantwortlichen für die Millerntor-Anzeigetafel waren da irgendwie anderer Meinung.

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