Montag, 8. Juni 2009

pele wird pole

Du betratst den Raum
Und wir wussten Bescheid
Ich und mein Stolz
Wussten gleich
Ist es vorbei
Du hast die Sätze einstudiert
Das musst du doch verstehen,
So eine Chance kommt nie wieder
Du gehst tränenreich in eine höhere Liga

Eine grenzenlose Liebe
Gegen die paar hundert Kilometer
Und wenn das hier mal ein Traum war
Ist er böse, denn hier geht er
Und ein drittel Heizöl, zwei drittel Benzin
Und dies ist noch nichts
Und ein Kuss, und ein Zug nach Berlin.*


Von Berlin aus geht es dann stündlich Richtung Cottbus, gewöhnlich aus (sic!) Gleis 12, die Fahrt dauert keine zwei Stunden. Dabei bleibt unbenommen: Das alles ist, karrieristisch bewertet, durchaus einleuchtend, und Karrieremachen ist bei Trainern dieser Tage ja äußerst angesagt, abgeschlossene Veträge hin oder her. Was dem einen der HSV, ist dem anderen die Energie. Claus-Dieter Wollitz wird nun also Trainer in Cottbus.

Damit dürfte sich Wollitz einen größeren Gefallen tun, als zum anderen Bundesliga-Absteiger Arminia Bielefeld zu wechseln, offenbar die erste Wahl. Dass nun der Bielefelder Aufsichtsrat den von Sportdirektor Dammeier vermeintlich schon verpflichteten Trainer nicht haben will, gibt nicht nur Aufschluss über die versammelte Dümmlichkeit, die bei Bielefeld noch immer das Sagen hat, zugleich ebnet dieses Veto Wollitz den Weg dorthin, wo er einfacher Erfolg haben kann.

Vielleicht erst auf den zweiten Blick: Die Lausitz passt perfekt zu Wollitz. Die Menschen wollen Identifikation, Aggressivität und Hingabe; das wird Wollitz, so schmerzlich gerade dies für jeden VfLer auch ist, ebenso glaubwürdig nahe der polnischen Grenze verkörpern und vorleben wie in Osnabrück. Und der moderne Fußballlehrer tritt in Fußstapfen von Vorgängern, deren Treter größtenteils aus dem vergangenen Jahrhundert stammten. Bojan Prašnikar mag ein Coach mit ordentlichen Meriten sein, mit modernem Fußball hat er nichts zu tun. Ede Geyer dito. Und Petrik Sander, nunja. Die Ausgangssituation könnte kaum hervorragender sein: Der Klub liegt einigermaßen am Boden, alte Rezepte zeigen keine Wirkung mehr, trotzdem sind die Hausaufgaben, was Infrastruktur usf. angeht, in den vergangenen Jahren gemacht worden. Was am meisten fehlte für den Start eines anderen, neuen Energie Cottbus, war ein passender Übungsleiter. Den haben sie jetzt.

Das ist Business als usual und doch gerade deshalb traurig. Einen zweiten Volker Finke wird es im deutschen Profifußball nicht geben. Nicht noch einmal wird ein gefragter Trainer so deppert sein, mehrfach mühevoll und in ungewisser Erwartung mit demselben Klub neu zu starten, wenn es auch anders geht. Auch wenn es womöglich so klingt: Ein Vorwurf soll dies gar nicht sein; es ist vielmehr ein bisschen wie die nüchterne Erkenntnis eines leidenschaftlichen Trinkers, der sich wünschte, noch mehr wären auf den Geschmack gekommen.

Was allerdings wirklich verstören kann, ist die Art und Weise, wie Wollitz diesen Wechsel kommuniziert hat, nämlich, gelinde gesagt, respektlos. Der Reihe nach.
Während der Pressekonferenz nach dem Abstiegsspiel gegen Paderborn nahm Wollitz in der Rückschau auf die Saison zwei gravierende Fehler auf seine Kappe: Dass er den Torwartwechsel von Wessels zu Berbig zu spät vergenommen und falsch verkauft habe und dass es keinen neuen Stürmer in der Winterpause gegeben hatte. Den dritten wirklich schlimmen Fehler war er da gerade im Begriff zu machen.
Nichts hätte er sagen müssen zu seiner Zukunft, jeder hätte Verständnis gehabt, wäre er einfach nur enttäuscht gewesen. Doch Wollitz trotzte mit Kampfansagen. Er sei immer jemand gewesen, der nach Niederlagen wieder aufgestanden sei, und er wolle den VfL jetzt erst recht wieder dahin zurück führen, wo er herkam: In die zweite Liga. Dass er die kleine Bedingung nachschob, man müsse ihn dafür aber eine Mannschaft formen lassen, mit der das auch möglich sei, ändert nur die B-Note dieses Bekenntnisses.
Kritikern mag es im Nachhinein wie Hohn klingen, allen anderen wird es schlicht unerklärlich bleiben. Auch dass schließlich die Sächsische Zeitung als erste via Interview seinen Abschied aus Osnabrück vermeldete, passt so gar nicht zu dem Trainer, der von seinen Spielern zuvorderst immer Aufrichtigkeit und Rückgrad eingefordert hatte.

Nun muss sich Wollitz jedenfalls unterstellen lassen, seine Liebeserklärungen zum "fantastischen Verein VfL Osnabrück", zu den einmaligen Fans, dem fußballverrückten Umfeld usf. seien am Ende nicht mehr als wertlose, heiße Luft gewesen. Das ist völlig unangemessen und doch trotzdem logisch. Fünf Jahre VfL mit dem Trainer Wollitz waren wunderbar für alle Beteiligten. Die Schuld am ärgerlichen Abgang trägt er zu einem Gutteil selbst.

Insgesamt ist das alles schade.

* Kettcar, Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen, "48 Stunden", 2005

1 Kommentar:

Kapitän hat gesagt…

Ach Maik,
schön geschrieben - wie (fast) immer.
Leider deutete für mich seit einigen Wochen (u. insb. Heimspiel-PKs) vieles auf einen Abschied hin; hatte ich jedoch - unter Berücksichtigung Peles vermeintlichen Charakters - eigentlich nach einem Klassenerhalt, nicht nach einem Scheitern, mit selbigem gerechnet.
Andererseits - vielleicht hat er sogar dem Verein einen allerletzten Dienst erwiesen, da allerspätestens (!) seit Pfingstmontag eine in der Trainerfrage "zerissene" Anhängerschaft sichtbar wurde (sogar in ernstzunehmenden, eigentl. mit Fußballverstand gesegneten Kreisen); und eine Zersplitterung der Kräfte können wir uns in der nächsten Zeit sicherlich keinesfalls leisten...
Nur fürchte ich, daß es einen wirklichen/konkreten Plan B gar nicht gab (Lieber Fußballgott, laß mir irren!!)...
Grundsätzlich nachdenkenswert erscheint mir auch folgendes:
Die Jahrhundertelf-Wahl fände jetzt statt - würden Pele (2x) und "Franz" Cichon wieder die ersten Plätze in ihren jeweiligen Kategorien belegen? Ich glaube, wir beide kennen die Antwort (nur nebenbei: Bei Schäfer, in seiner ersten VfL-Zeit durchaus ein mittelgroßer Unsicherheitsfaktor, weiß ich´s nicht so genau).
"Zeig den Mittelfinger, diese Welt ist schlecht..." (Broilers)
NfdV - gerade jetzt