Samstag, 26. November 2005

was sind gute fans?

An sich ist das keine schwere Frage. Was sind schon gute Fans? Für meine Freundin Judith - gänzlich ohne Ballinteresse - zum Beispiel steht fest: Es gibt keine guten Fußballfans! Dagegen bezieht mein Freund Torben Stellung für den perfekten Fan: Mit voller Leidenschaft ohne jegliche Einschränkung! Irgendwann jedoch hilft all das nicht mehr weiter. Was tun, wenn die Mannschaft nicht mehr so tickt wie man es als Fan gern hätte, wenn Enttäuschungen sich häufen und auf eine 1:5-Auswärtsniederlage mit einem 0:4 nicht einmal vermeintlich Besserung folgt? Was tun also als VfL-Fan?

Kurzer Exkurs in die ruhmlose Vergangenheit: Vor nunmehr knapp zwei Jahren kam es in der Arena auf Schalke, wie heute, zum Spiel Schalke gegen Bremen. Bremen spielte damals gewöhnlich großen Fußball, führte mit 9 Punkten Vorsprung die Tabelle an, und auch Schalke begeisterte oftmals die Massen. Fußballdeutschland schaute an diesem Nachmittag nach Gelsenkirchen. Mein Bruder René und ich konnten ganz kurzfristig noch zwei Karten für das Spiel ergattern, in der allerletzten Reihe der Arena, und wir waren richtig gespannt. Was folgte war - wie immer, wenn ich einmal einen Fuß in ein Bundesliga-Stadion setze - eines der schlechtesten Bundesliga-Spiele, die ich je sah. Es endete 0:0, und skandalöserweise wurde dieser Grottenkick im Fernsehen noch relativ gut geheißen.

Was mich an diesem Erlebnis zusätzlich maßlos geärgert hat, war die nahezu haltlose Affimation der königsblauen Fans. Die zuvor gesehenen 90 Minuten duften nun zu vielem Anlass sein, zu Applaus und "Schalke, Schalke"-Sprechchören aber sicher nicht. Schauerlicher Fußball wurde aber wider Erwarten von den Rängen bejubelt, und die Schalker Spieler ließen sich von den Ovationen auf dem Rasen feiern. Wie weit darf nun Fanliebe gehen, oder: Was sind gute Fans?

Schalke-Fans sicher nicht. Sie sind einfach nicht mehr ernst zu nehmen. Wie aber - diese Frage stellt sich für meinen VfL derzeit sehr virulent - einerseits kritischer Begleiter sein, der Missstände nicht unter den Teppich kehrt, andererseits aber dennoch mit Leidenschaft? Nicht dass es schon soweit gekommen wäre: Aber darf man sich beispielsweise über eine weitere Niederlage freuen, trüge sie dazu bei, die vereinsfarbene Brille endlich abzulegen und gegen eine realistischere Sicht auf die Dinge einzutauschen? Ehrlicher als die Schalker Hudelei wäre dies allemal. Heißt das aber nicht auch immer, die eigene Leidenschaft zu verleugnen?

Kritischer Dialog - so nennen das Politiker oder Eheberater. Aber taugt ein solches Konzept für einen Fußballfan? Das hieße ja, einen Teil der eigenen Identität, die notwendig immer auch emotional besetzt ist, parallel kritisch, also unemotional, nämlich rational, zu begleiten. Ist das möglich? Es muss möglich sein. Auch fortan, sogar gerade fortan, wenn der Erfolg auf dem grünen Rasen einmal ausbleibt. Wenn der Versuch scheitert, man wäre nichts weiter als ein jämmerlicher Schalker, und das kann keiner wollen.

Daher ein weiterer erster Versuch: Ein Sieg gegen Lübeck wäre großartig. Probleme lösen wird er vermutlich trotzdem nicht. Zauberfußball am Dienstagabend wäre eine Offenbarung. Daran, dass in dieser Spielzeit einiges gehörig schief gelaufen ist und womöglich noch läuft, ändert das gar nichts.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Maik,

ich glaube, dass streng genommen Deine Freundin Judith recht hat. Ein echter Fan ist schon seinem Namen nach fanatisch. Wahrer Fanatismus ist aber zurecht bei uns nicht sehr beliebt. Im Fußball heißt das blinde, völlig unkritische Unterstützung. Ich denke, wir sind uns einig, dass solche Zeitgenossen schwer erträglich sind.

Ich denke, die Wahrheit liegt in der Mitte, denn natürlich gehört zum Fan-Sein mehr als die Einstellung "der beste soll gewinnen und ich hoffe, das sind wir".
Doch es bleibt festzuhalten: Ein guter Fan ist kein wahrer Fan.

Jan