Dienstag, 28. April 2009

ohne rat trotz tat

Dieser Text und das Fußballspiel, von dem er handelt, lassen den Leser des einen wie des anderen gleichermaßen zurück: Ratlos. Soviel schon jetzt. Wer sich Sinnstiftendes erhofft hatte, der sei dieses eine Mal auf jeden anderen Text dieses kleinen Familienblogs verwiesen. Oder mag Ratlosigkeit Sinn stiften können? Niemand sage jedenfalls, er sei nicht gewarnt worden.

Osnabrück spielt daheim gegen Rostock 0:0. Diese Punkteteilung ist, wenn es sowas überhaupt gibt, mehr als gerecht. Sie ist, um eine weniger voraussetzungsreiche Fußballvokabel zu nutzen, verdient. Beide Mannschaften hatten Pech, das Spiel nicht gewonnen zu haben, Rostock hatte die besseren Chancen und verschenkte mindestens zwei so genannte hundertfünfzigprozentige. Osnabrück hatte schließlich mehr Möglichkeiten, wobei der letzte, zündende Pass meist nicht gelang. Unterm Strich (für Osnabrück) und darüber (für Rostock) endete dieses Begegnung torlos und war dennoch ein tolles Fußballspiel, nach dem allerdings Osnabrück lediglich die Relegation noch aus eigener Kraft schaffen kann, mehr nicht.

Ratlosigkeit als Modalität von Krise ist sowohl Zustand als auch Prozess. Das macht sie soziologisch verhältnismäßig interessant. In Ratlosigkeit ist ihr Gegenteil und damit das Gegenteil von Krise bereits angelegt, denn andernfalls – also gäbe es nicht immerhin theoretisch eine Vorstellung von „Rat“ – machte Ratlosigkeit als Konzept keinen Sinn. Deshalb, so viel Sinn sei gestiftet, kann Ratlosigkeit auch Anlass zu Fortschritt sein, vielleicht muss sie das sogar.

Die Stimmung war blendend an der Bremer Brücke, die Zuschauer standen wie eine Eins hinter dem VfL, die Rostocker jedoch auch hinter ihrer Hansa. Die Atmosphäre war zweitligareif. Es gab, so viel Ehr sei dem Osnabrücker Publikum gern erwiesen, keine Unmutsäußerungen gegen den Trainer, was nach dieser leidenschaftlichen, fast aufopferungsvollen Leistung auch relativ lachhaft gewesen wäre, aber an Tagen, an denen Meisterschaftsanwärter, gar -favoriten, ihre Trainer feuern, weiß man ja nie. Es war jenseits des Tabellenstandes ein schöner Fußballabend in Osnabrück, diesseits aber ändert das wenig.

Zwei Dimensionen von Ratlosigkeit lassen sich sinnvoll unterscheiden. 1. Ratlosigkeit trotz Ursachenkenntnis und 2. Ratlosigkeit mangels Ursachenkenntnis.

Das 0:3 in Augsburg etwa und auch das Unentschieden in München lassen sich unter 1. subsumieren. In Augsburg erschrak der VfL ohne Einstellung und Willen, versagte den Augsburgern die Zweikämpfe und verlor ohne erkennbare Bereitschaft, die Blamage aufzuhalten. In München andererseits hatte Osnabrück die besseren Chancen, agierte schnell und willenstark, blieb aber offenkundig mittellos. Es fehlte an hinreichend viel Kreativität und Kaltschnäuzigkeit, um 1860 niederzuringen, Potenzial lag brach und blieb doch ungenutzt. Solche Erlebnisse von Ratlosigkeit führen geradezu zwingend ins extrem unbefriedigende Stadium der Fassungslosigkeit: Offenkundig zu Tage tretenden Schwächen und allseits erkennbaren Mangelerscheinungen ist mal wegen mangelnder, mal trotz reichlich Mühe nicht beizukommen.
So ein 0:0 gegen Rostock kommt anders daher. Osnabrück hatte Glück, nicht verloren zu haben, und Pech, nicht gewonnen zu haben. Rostock war gefährlich, gerade mit seinem zügigen Spielaufbau, aber der VfL nicht chancenlos, im Gegenteil. Osnabrück macht aus seinen Standardsituationen zu wenig – warum? Der letzte Pass kommt nicht nur nicht an, sondern wird oft gar nicht gespielt – warum nicht? Das Glück fehlt dem VfL vorn, hinten hat er reichlich davon.

Die Ratlosigkeit mangels Ursachenkenntnis ist für den außen stehenden Beobachter deutlich angenehmer. Vielleicht rührt das daher: Die ehrliche Einsicht in die eigene Unzulänglichkeit ist weniger schmerzhaft, als trotz vergewisserter Zulänglichkeit zu scheitern. Vielleicht geht nicht mehr, vielleicht reicht es nur zu fliegenden Fahnen. Vielleicht ist diese Mannschaft, einmal – mit viel Pech! – in den Strudel des Abstiegskampfs geraten, nicht besser als Platz 16. Druck schmälert Selbstbewusstsein. Dann immerhin wäre die Relegation keine Enttäuschung, sondern eine Herausforderung. Doch gewiss ist nichts, nicht einmal – im Guten wie im Bösen – Platz 16.

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