Donnerstag, 16. April 2009

seitenwechsel #80

Freunde der VfLiebe! Zum 80. Mal verständigen wir uns mit den lieben Kollegen von Seitenwahl über die Lage der Nation, d.h. der VfLs. Joachim zittert vor gespielter Spannung, Martin hat noch einmal in unserem alten Interview mit Thomas Broich nachgelesen und deliriert in philosophischen Floskeln, dies nachzulesen wie immer auf Seitenwahl.

Lieber Martin,

wir leben in spannenden Zeiten, sportlich und allgemein. Das Sportliche muß ich Dir nicht weiter erläutern; längst ist Dir geläufig, welches Drama (sagt Ihr beim VfLog nicht „Dramulett?) der Fußballgott diese Saison aufführen läßt. Überm Strich, unterm Strich, aufm Strich (ähem) – nahezu jedes Wochenende ändert sich nun, wo Borussia gerade steht. Erst Hamburg und Köln geputzt, dann gegen Bochum und teils in Karlsruhe gepatzt, nun gegen Wolfsburg überzeugt und dennoch verloren, was soll man davon nur halten?

Vielleicht sollte man es einfach klasse spannend finden, was es doch ist und worum es im Fußball nun mal geht. Ich persönlich habe das selbst durch stärkstes Bedenkenwälzen nicht wegzuschiebende Gefühl, daß wir uns diese Saison mal wieder in einem heroischen Last-Minute-Kraftakt retten werden. Glatt wird das freilich nicht abgehen. Borussia bereitet nun – aus meiner Sicht nicht zielführend – die Marschrichtung vor, die nächsten beiden Spiele seien vorentscheidend. Nun, natürlich wäre es schön, in Frankfurt zu punkten, doch finde ich die Partie in Cottbus am 32. Spieltag viel bedeutsamer, und was es am Ende gegen Dortmund schlägt, weiß ohnehin jeder. Ich vermag nicht zu glauben, daß nach bislang unterirdischen acht Heimniederlagen etwa gegen Bielefeld alles glattläuft, umgekehrt sehe ich aber auch niemanden, Schalke und die Bayern eingeschlossen, der dieses Jahr erhoben über den anderen Mannschaften thront. Insofern ist jedes Spiel für sich bedeutsam, und hier vor allem die nächsten beiden Spiele als zentral anzusehen, bietet sich vor diesem Hintergrund nicht an.

Wir leben aber auch anderweitig in spannenden Zeiten, und hier meine ich weniger die bereits entschiede Bundestagswahl oder unser ebenso entschiedenes Schachspiel, sondern das jüngste Rauschen im Medienwald. Da hätten wir zum einen die Mimosen-Bayern, die in Barcelona jämmerlicher auftraten, als 1860 das jemals geschafft hätte, und deren noch amtierender Ex-Trainer nun die taz verklagen möchte, wegen einer geradezu mickrigen Lappalie. Es verwundert weniger, daß an der Isar derzeit die Sicherungen herausspringen, als daß die Bayern überhaupt Medien so ernst nehmen, wie dies derzeit der taz widerfährt. Mir scheint hier ganz simpel ein Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen vorzuliegen, und wenn unsere Niederlage gegen Wolfsburg etwas Positives hatte, dann doch dies: daß somit der Drei-Punkte-Abstand der Wolfsburger an der Spitze gewahrt bleibt.

Zum anderen sehen wir gerade in Großbritannien, welche Macht Blogs entwickeln können; zwar ist Gordon Brown nicht gestürzt, aber er hängt in den Seilen. Nun, VfLog und SEITENWAHL wußten dies seit eh und je. Gleichzeitig müssen wir mit all unserer Macht natürlich verantwortungsvoll umgehen. Ich könnte jetzt hier einfach enthüllen, daß Borussia am Ende 15. wird, daß Bielefeld gegen Aachen in der Relegation die Klasse hält und daß nächste Saison in Augsburg Peter Neururer als Nachfolger von Jos Luhukay gehandelt wird, der Holger Fach in Bad Breisig beerben wird. Doch wem wäre mit der Wahrheit gedient? Borussia entgingen in den letzten drei Heimspielen im Schnitt 20.000 Zuschauer, weswegen man im Sommer zwei bis drei knieamputierte Starstürmer nicht wird verpflichten können, und in meiner Lieblingsbuchhandlung in Aachen kann ich mich auch nicht mehr sehen lassen, dabei haben sie da diesen herrlichen Himbeerkuchen mit Schlagsahne.

Darum, lieber Martin, zeige ich mich hier zitternd und zagend, bete zum heiligen Friedhelm, daß es am Samstag nicht funkelt, esse Spreegurken, bis es der Lausitz so gut geht, daß sie da keinen Fußball mehr brauchen, um sich gut zu fühlen, und bestelle hiermit vier Pressekarten für das Saisonfinale (eine für mich, drei für meinen Sarg, damit ich mich nach dem Abpfiff gleich selbst eintüten kann). Aber ist das wirklich besser? Ich weiß es nicht.

Somit weiter mit stetigem Blick den Klassenerhalt feiernd grüßt Dich, in der Hoffnung, daß Du diesmal aus meinen „daß“ keine „dass“ machst,

Dein Joachim

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