Montag, 27. Juni 2005

"mit einer träne im auge"

Der vierte und letzte Teil des VfLog-Interviews mit VfL-Medienchef Markus Aretz. (Teil 1 | Teil 2 | Teil 3)

Wagen wir jetzt einen Ausblick auf die nächste Saison. Im Gladbacher Umfeld ist die Erwartungshaltung, auch wenn man gerade die x-te Saison ganz knapp nicht abgestiegen ist: „Jetzt wollen wir in die Champions League!“ Was macht man dagegen? Und zweitens: Worauf darf man realistischerweise hoffen im nächsten Jahr, was wäre ein Ziel?

Nach der letzten Saison ist wohl der Wunsch bei uns allen hier, mal eine Saison in Ruhe zu spielen, ohne Trainerentlassung, und dann irgendwo in der Bundesligatabelle zu landen, wo man nicht diesen Druck hat, dass die nächste Saison in der zweiten Liga stattfinden könnte. Wobei ich auch der Meinung bin, dass es nie eine Situation ohne Druck geben wird in der Bundesliga. Wenn da einer schreibt: „Jetzt hat man schon wieder so viel Druck vor dem Heimspiel.“ – das ist ja so ein Quatsch! Druck hat man immer. Wenn man auswärts verloren hat, hat man Druck: Klar, man muss zu Hause gewinnen, um nicht abzurutschen. Wenn man auswärts gewonnen hat, gibt es aber genauso Druck, weil dann alle schreiben: „Aber jetzt habt ihr die Chance, mit einem Heimspiel mal richtig nach oben zu gehen…“
Es gibt ja in der Bundesliga auch keine Zone in der Tabelle, wo man so jenseits von gut und böse spielt, wie das vielleicht in Holland ist. Oben geht es um die Meisterschaft, danach um den UEFA-Cup, UI-Cup, und der Zehnte ist ja nicht in Sicherheit vor dem Abstieg – vielleicht in den letzten drei Wochen, aber bis dahin auch nicht. Wir wünschen uns, mal eine Saison zu haben, in der es so erfolgreich läuft, dass man nach unten nicht diese Angst hat. Mit dem Druck nach oben könnten wir gut leben. Was die Erwartungshaltung angeht, kann man auch versuchen, mit aktiver Kommunikation darauf ein bisschen einzuwirken, aber auch das ist sehr, sehr schwierig.

Ankündigungen wie „Ein einstelliger Tabellenplatz ist das Ziel“ wird es also vor der nächsten Saison nicht geben?

Die wird es sicher nicht geben, und es war vielleicht auch im vergangenen Jahr nicht so schlau, das so zu sagen. Aber wenn man zwei Mal Zwölfter wird und ein Jahr Elfter und dann gefragt wird, „Was wollt ihr denn nächstes Jahr machen?“, dann sagt man natürlich nicht, „Wir wollen wieder Zwölfter werden oder wir wären auch mit Platz Dreizehn zufrieden“. Man muss sich ja jedes Jahr ein Ziel setzten, das ein bisschen höher gesteckt ist. Und dann sagt man: „Nach diesen drei Platzierungen hätten wir jetzt gern mal was Einstelliges.“
Man kann auch nicht so naiv sein zu glauben, dass man kein Ziel ausgeben müsste. Schwierig ist es natürlich, wenn man mit dem Ziel daneben liegt und die Medien fragen: „Warum haben die das gemacht?“ Das sind dann aber die gleichen Leute, die vor der Saison gefragt haben: „Wo wollt ihr denn hin? Sagt uns das mal! Ihr müsst doch ein Ziel haben!“ Das wird auch dieses Jahr wieder so sein, dass alle wissen wollen, wo wir denn landen wollen.

Mit dem Stadion und den Strukturen, die hier geschaffen wurden, ist natürlich das internationale Geschäft nicht aus dem Fankopf und aus dem eigenen Herzen rauszukriegen. Gibt es da intern wirklich so eine Art Stufenplan, indem man sagt, bis zu einem bestimmten Jahr wollen wir da und da stehen?

Auch intern ist es unsere Überzeugung, dass wir erstmal zusehen müssen, uns zu festigen. Klar hat jeder, der hier arbeitet, auch die 70er und 80er Jahre im Kopf und möchte international spielen. Und jeder wäre auch fehl am Platz, der sagen würde: „Da sehen wir Borussia Mönchengladbach nicht. Wir wollen immer Zehnter werden.“ Das ist ja Quatsch. Es wird auch irgendwann soweit kommen, dass Borussia wieder weiter oben spielt, das erfordert nur auch sehr viel Geduld.

Zum Abschluss eines langen Gesprächs möchten wir Sie noch um ein paar kurze Statements bitten: Gibt es für Sie irgendwelche ‚Nerv-Fragen’? In der vergangenen Saison zum Beispiel bestimmt die Frage, wann Elber fit ist oder wann die Trainer-Frage mit Köppel entschieden wird. Gibt es daneben noch ganz allgemein eine Frage, die Sie gern nie mehr hören würden?

(Lange Pause)
Ja, vielleicht die Frage, die mir vormittags jeden Tag gestellt wird: „Gibt’s was Neues?“ (lacht.) Ich find das so überflüssig. Das ist offenbar so: Da kommen Journalisten in die Redaktion und rufen erstmal hier an für ihre Tagesplanung. Ich denke dann immer, inzwischen müsste doch jeder wissen, dass wir uns melden, wenn es etwas gibt…

Gibt es umgekehrt eine Frage, vielleicht gerade nach Krisenzeiten, auf die Sie die ganze Zeit warten – wo Sie denken, da könnte ich so viel Positives erzählen, die aber noch nie gestellt wurde?

Nein, wüsste ich nicht.

Es ist also ok, was kommt?

Ok ist es nicht immer, aber in jedem Fall so erschöpfend, dass ich keine Frage vermisse. In Krisenzeiten ist es ja auch so, dass man meist ohnehin nicht so viel Positives zu erzählen hat. Ich würde mir da eher wünschen, dass es ein bisschen mehr Vertrauen in die handelnden Personen gibt. Ich finde, dass die Leistungen des Präsidiums in den letzten Jahren schon vorzeigbar sind. Und wenn dann zum Beispiel ein Spieler rausfliegt, dass man dann auch davon ausgeht, dass wir dafür gute Gründe haben und uns das auch überlegt haben. Auch wenn man die Gründe vielleicht nicht immer veröffentlichen kann.

Ganz zum Schluss möchten wir Sie jetzt nur noch bitten, zehn Satzanfänge zu vervollständigen.

1. Fußball ist … mein Lieblingsspiel.
2. Nur in Gladbach … dreht sich in einer Stadt alles, aber auch wirklich alles nur um den örtlichen Fußballverein – selbst, wer sich angeblich nicht für Fußball interessiert, weiß, wie der Verein gespielt hat und hat seine Meinung dazu.
3. Wenn der Bökelberg abgerissen wird, … werde ich auf der Bökelstraße stehen und das mit einer Träne im Auge mit ansehen.
4. Was ich einem Journalisten nie verzeihe, … ist, wenn er wissentlich lügt.
5. Manchmal beneide ich den FC Köln um … die schöne Stadt Köln (lacht).
6. Das Wort Mythos … spielt eine große Rolle bei Borussia, sollte aber nicht überstrapaziert werden, sonst könnte es auch zur Belastung werden.
7. Am meisten gelitten habe ich in den letzten Jahren, als … wir in Aachen das Pokalfinale verspielt haben.
8. Am meisten gefreut habe ich mich … bei einzelnen entscheidenden Spielen, von denen so viel abhängt. Zum Beispiel das Spiel, das den Aufstieg entschieden hat oder als zuletzt der Abstieg verhindert wurde…
9. In zehn Jahren ist Gladbach … wie jetzt schon einer der am besten aufgestellten Vereine der Liga und dann auch sportlich hoffentlich auf gleichem Niveau.
10. Und zum Abschluss: In zehn Jahren bin ich … – puh, keine Ahnung, da habe ich mir in meinem Leben noch nie Gedanken drüber gemacht. Dass ich sechs Jahre einen Job mache, ist schon sehr ungewöhnlich, ich habe vorher nie länger als drei Jahre an einem Ort gelebt. Jetzt bin ich schon seit 14 Jahren in Mönchengladbach, seit sechs Jahren Pressesprecher und ich kann mir auch gut vorstellen, das in zehn Jahren noch immer zu machen – das kann sich aber auch von einem Tag auf den anderen ändern.

Herr Aretz, vielen Dank für dieses Gespräch!

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