Mittwoch, 29. Juni 2005

regel elf

Es gibt Debatten, die sind so alt wie die Welt und so belanglosdumm wie die Geschichte der Menschheit. Kluge Menschen ignorieren sie im tiefen Vertrauen, das Gerede werde weder jemals enden noch irgendwann einmal Konsequenzen haben. Bis vor kurzem zählte die Diskussion um das "passive Abseits" dazu.

Doch wie es nunmal so ist mit der FIFA: Sie hat sich noch nie gescheut, Unsinn in Worten Blödsinn in Taten folgen zu lassen. Also müssen wir, auch heute abend wieder beim Confed-Cup-Finale, eine "neue" Abseitsregel wenn nicht bewundern, so doch befolgen. Dass die neue Regel plumper Quatsch ist, leuchtet wirklich jedem ein, selbst der DFB hat das schnell erkannt – bekanntlich keine Selbstverständlichkeit. Doch die Probleme setzen viel früher an. Es ist Zeit, mit einer Serie unseliger Operationen aufzuhören, und zurückzukehren zu einer Zeit, als die Abseitsregel sinnvoll und einleuchtend war.

Es ist ja ohnehin eine Mär, dieser Paragraph 11 der Fußballregeln sei kompliziert. Er ist so einfach:

Abseitsposition
Die Abseitsstellung eines Spielers stellt an sich noch keine Regelübertretung dar.
Ein Spieler befindet sich in einer Abseitsstellung, wenn er der gegnerischen Torlinie näher ist als der Ball und der vorletzte Abwehrspieler.

Um den ersten Satz dieser kleinen, simplen Regelung entbrannte aller Streit. Wann ist eine Abseitsstellung strafbar? Ich flehe den Fußballgott an: Mach Schluß mit der Dödel-Debatte um das "passive Abseits". Schluß damit und aus! Statt nunmehr seit Jahren zu diskutieren, an den Regeln herumzudoktern und insgesamt ein jämmerliches Bild abzuliefern: Zurück zur früheren Regelauslegung und fertig.

Abseits kann nur stehen, wer aktiv ins Spielgeschehen eingreift. Dies gilt für einen angespielten Stürmer (auch wenn er letztlich nicht den Ball annimmt), für jeden Spieler, der den Torwart oder seine Sicht irritiert und es gilt vor allem auch, solange ein Spielzug währt. Die in den letzten Jahren etablierte Behauptung, durch einen Querpaß am Elfmeterpunkt würde eine "völlig neue Spielsituation" entstehen, ist so bodenlos debil, dass es Wunder nimmt, wie sie je jenseits der Räume eines Funktionärzimmers ernsthaft ausgesprochen werden konnte.

Über den Confed-Wahnsinn des Fähnchenhebens nach Ballannahme möchte ich gar kein Wort mehr verlieren. Er entspringt letztlich der von dumben Ahnungslosen lancierten Forderung, nur der Spieler solle abseits stehen können, der tatsächlich angespielt wird. So aber war die Abseitsregel nie gedacht. Sie sich so wünschen kann nur, wessen Aufmerksamkeitsspanne nichtmals für die 30-60 Sekunden eines Spielzugs ausreicht, in denen sich entscheidet, ob aus einem Abseits ein Vorteil entsteht. Diese abwarten zu können, macht einen guten Schiedsrichter aus. (Aber eben nur im Zweifelsfall, nicht aus Grundsatz.) Dies auszuhalten sollte jedem Zuschauer zumutbar sein.

Die jetzige FIFA-Vorgabe läd dazu ein, taktische Tendeleien einzustudieren, die wenig mit Fußball zu tun haben. "Du stellst Dich abseits, wir spielen Dich scheinbar an, alle sind irritiert, dann sprintet XY vor, nimmt den Ball an -- zack stehen zwei Mann frei vor dem Tor. Völlig regulär." Ein irres Gedankenspiel? Wer das glaubt, sei an Ailtons Tor gegen Werder Bremen in der vergangenen Saison erinnert. So etwas wird es dann öfter geben. Das Tor hielt wirklich jeder für irregulär, selbst die Schalker wußten, daß sie mehr Glück als Verstand hatten.

Ruinös ist aber aber auch die vollkommen kurzsichtige Forderung nach der "völligen Abschaffung" des passiven Abseits. Was, bitte schön, soll das bedeuten? Dass ein Spieler, der verletzt an der Eckfahne liegt womöglich minutenlang jeden Angriff unterbindet, weil er sich ja im Abseits befindet?

Also bitte: Zurück auf Start, und dann Aus und Ruhe im Karton. Wer die Abseitsregel nicht kapiert, soll nicht an ihr basteln, sondern nach Hause gehen und mit Murmeln spielen. Basta.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Puh, hatte schon gedacht, Du würdest es ganz abschaffen wollen. das verstehe ich nämlich auch nicht. Wissen die denn alle nicht mehr, was für unsinnige Entscheidungen es vorher gab? Die gleichen Leute, die heute die Aufhebung des passiven Abseits fordern, wären die ersten, die seine Wiedereinführung unterstützten.

Anonym hat gesagt…

Danke für dieses Statement, es sagt alles, was mir in diesen Abseitsregeldiskussionen auf der Seele brennt. Passives Abseits ist gut, nur anscheinend versteht es keiner außer mir hab ich bisher immer gedacht, doch siehe da, es gibt noch welche, die es verstanden haben...