Montag, 13. Juni 2005

"das paradies ganz nah"

Nur wenige Besucher des 30. Deutschen Evangelischen Kirchentags hatten die Chance, dabei zu sein: In der Vereinsgaststätte des ehemaligen Fußball-Zweitligisten TSV Havelse 1912 diskutierten prominente und weniger prominente Geistliche um "Das, woran die Deutschen morgen glauben". Mit von der Partie war neben der Ministerin für Moral, Erziehung, Emanzipation, Disziplin, Pflichtbewusstsein und strenge blonde Puristen-Frisuren des Landes Niedersachsen, Ursula von der Leyen, der hannover'schen Landesbischöfin Margot Käßman und Parteichefin Claudia Roth von Bündnis 90/Die Grünen auch der Fußballgott. Geleitet wurde das Streitgespräch vom unvermeidbaren Fernsehpfarrer Jürgen Fliege.

Fußballgott nästelt unterm Lederhemd am versteckten Funkmikro, flüstert dann zu mir: "Warum sitzen hier außer mir nur Frauen? Welcher Penner hat das organisiert? Fehlt nur noch Merk! So kann ich nicht arbeiten!"
Fliege: "...heiße ich Sie alle herzlich willkommen. Schön, dass sich auch einige junge Menschen..."
Roth zu Fußballgott: "Hübsches Hemd tragen Sie da. Sie sind der Herr Maffay, oder?" - "Ich geb Ihnen gleich Maffay. Ich bin der Fußballgott, ich bin erst das zweite Mal in Deutschland. Und für die Warze sorgen Sie in dieser Runde, Verehrteste. Sagen Sie: Wer ist denn der Kasper, der da vorn die ganze Zeit von Werten und Halt in der Religion und so faselt? Der soll sich mal locker machen!" - "Ist der Moderator. 'Fliege' heißt der. Den hat dieser Ratzinger, bevor er Papst wurde, im deutschen Fernsehen installiert, damit die Leute alle aus der evangelischen Kirche austreten. Läuft super, und hat noch keiner gemerkt."
Von der Leyen, von Fliege begrüßt, wendet sich nun ans Publikum: "...habe ich sieben Kinder und schaffe es mit meinem Mann trotzdem, Job und Familie..."

Fliege: "...freue ich mich außerordentlich, den Fußballgott in unserer Runde begrüßen zu dürfen. Sie kommen gerade aus Russland, wo die Saison ja noch lange nicht beendet ist, und schauen auf der Rückreise in den Fußballhimmel bei uns vorbei. Danke dafür auch den Kollegen vom VfLog..."
Fuballgott: "Dass das Ihre Kollegen sind, glauben Sie doch wohl selber nicht!"
Fliege: "...ja, äh, danke dann also an die Macher vom VfLog, die uns diesen Kontakt ermöglicht haben. Herzlich Willkommen in Hannover..."
Von der Leyen: "...habe ich acht Kinder, und wir sind, obwohl mein Mann und ich arbeiten, eine glückliche Familie..."

Fuballgott zu Käßmann: "Sie sehen mir so aus, als kämen Sie aus Hannover: Gibt es einen besonderen Grund dafür? - "Bitte? Ich arbeite hier. Ich engagiere mich für viele Menschen, die im Glauben an Christus und in dem, was Christus für uns heute..."
Fußballgott per Funk: "Ups, da hab ich in ein Wespennest gestochen. Anfängerfehler. Hört die nochmal auf zu sabbeln?" - Wieder zu Käßmann: "Schon gut, verstehe. Da haben Sie natürlich mit Hannover alles richtig gemacht. Hüten Sie sich nur davor, nach Osnabrück oder Gladbach zu expandieren. Da haben die Leute was Anständiges, an das Sie glauben können. Das fehlt natürlich in Hannover, das sehe ich ein."
Roth mischt sich ein, zu Käßmann: "Der Fußballgott will damit sagen, dass..."
Fußballgott wieder per Funk: "Hehe, alte Schule. Die andere Sabbeltasche angefixt, jetzt die beiden galant alleine weiterplaudern lassen."
Von der Leyen: "...habe ich neun Kinder und schaffe es trotzdem gemeinsam mit meinem Mann, Familie und Job unter einen Hut..."

Fliege beschwert sich über die Zwiegespräche zwischen Käßmann und Roth, zum Fußballgott: "...können Sie vielleicht einmal erklären, wie Sie damit umgehen. Was bedeutet so ein spiritueller Rückhalt für Sie?" - "Sie meinen den spiel-rituellen Rückhalt? Den finde ich ungeheuer wichtig. Ohne Spielrituale kein Spiel, ohne Spiel keinen Fußball, ohne Fußball keinen Gott. Und was wird dann aus mir? Der Fußball ist deshalb immer auch gebunden an eine Form von Spiel-Ritualität. Eine intelligente Form von Committment, von Arrangement dieser Ritualität mit Spielkultur und Fanszene, ist mir jedoch nur aus zwei Landesteilen bekannt. Das ist sicher nichts, was von heute auf morgen zu realisieren wäre. Manche gewachsene Strukturen werden auch auf lange Sicht unerreichbar bleiben. Aber das Wieviel ist nicht immer wichtig. Ich bin ein gnädiger Gott, ich weiß Anfänge wie zum Beispiel in Mainz durchaus zu schätzen." - Per Funk zu mir: "Boah, kann der mal deutlich sprechen, dieser Fliege. Egal, die Antwort saß jedenfalls. Der Stricher kommt bestimmt aus Wolfsburg, so wie der aussieht."
Von der Leyen: "...habe ich zehn Kinder, und mein Mann ist der tollste Hecht auf Erden, wir sind so glücklich zusammen, obwohl wir beide arbeiten..."

Roth tuschelt zum Fußballgott: "Das mit der Warze, das fand ich aber nicht fair. Wir müssen auch in der Auseinandersetzung mit Differenzen darauf achten..."
Käßmann mischt sich ein: "Ich glaube, Kraft durch den Dialog zu finden, das bedeutet immer auch ein Mehr an..."
Fußballgott: "Jau, ich habe auch ein riesiges Mehr - keine Lust nämlich. Sie beide haben schon einen kleinen Schatten, oder? Glaubt doch, was ihr wollt. Ich lasse einfach jede Mannschaft mal gewinnen, die einen öfter, die anderen weniger oft. Aber damit bin ich immer noch wirkungsvoller als Sie beide mit Ihren mal jen-, mal dieseitigen Heilsversprechen. Heil ist relativ, und nach dem absoluten zu streben, das haben wir Gott sei Dank mittlerweile eingestellt."
Fliege überbrückt mit Endlos-Monologen mühsam die Tuscheleien: "...möchte ich Sie ermutigen, selbst einmal die Kraft und die Erneuerung, die eine Auseinandersetzung, und sei sie kritisch..."
Fußballgott verlässt heimlich das Podium, per Funk: "Hehe, herrlich, diese Streitgespräche. Sollte ich mir öfter geben. Gerade in der Sommerpause. Und wenn die olle von der Leyen bei Elf angekommen ist, soll sie Bescheid sagen. Dann ist das Paradies ganz nah."
preisbloggen

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ihr seid ja nun immer schon ein toller Blog. Aber dieser Text... Also dieser Text! Der landet auf meiner Hitliste irgendwo ganz oben im Getummel bei Loriot und Monty Python. Wow!