Montag, 12. Mai 2008

absolute, äh, spannung

Ein Donnerschlag war das, ein denkwürdiger. „So einen emotionalen Auftritt haben wir hier auch noch nicht gesehen“, kommentierte der Pressesprecher der Münchener Löwen. Das alles hatte nichts mit dem Spiel zu tun, währenddessen es keinen nennenswerten Osnabrücker Donnerschlag und nur mit viel gutem Willen einen emotionalen Auftritt zu bestaunen gab. Es war Pele Wollitz’ Auftritt bei der Pressekonferenz, der von diesem neuerlichen Nicht-Endspiel in Erinnerung bleiben wird, denn der Trainer war außer sich: „Was am Donnerstag in Frankfurt abgegangen ist, ist das Unglaublichste überhaupt. Da hat man einen glasklaren Deal gemacht. Welche Situation sich ergeben würde, wäre alles beim Alten geblieben, sieht jeder, der auf die Tabelle guckt. Das ist eine absolute Sauerei, das ist eine absolute Unverschämtheit!“ Wer noch zweifelt, worum es geht: Um die Nun-doch-nicht-acht-sondern-nur-noch-sechs-Punkte-Strafe für die TuS Koblenz. „Wenn wir schon gerettet wären, hätte ich schon viel eher den Mund aufgemacht“, wetterte Wollitz weiter. „Jetzt wird die Strafe für ein Vergehen aus dieser Saison wieder teilweise in die nächste verlegt. Die vier Aufsteiger aus den Regionalligen haben alle einen Vorteil, den wir in diesem Jahr nicht hatten. Im Gegenteil: Wenn man das beobachtet, kann daraus eigentlich nur die Lehre sein: Zehn Millionen mehr ausgeben als man darf, 15 Punkte mehr holen, von denen dann erst acht abgezogen werden, um anschließend wieder zwei zurückzukriegen.“

Diese zehn Millionen hat Osnabrück nicht ausgegeben, und das sieht man auch, insbesondere am Ende dieser kräftezehrenden Saison. Enorm unter Druck, erstmals seit vier Jahren wieder auf einen Abstiegsplatz zu rutschen, lieferte der VfL in München das vielleicht schlechteste Auswärtsspiel der Rückrunde ab. Positiv: Es ging nicht verloren. Negativ: Der Druck wird vor dem nun alles entscheidenden letzten Spiel gegen Offenbach noch einmal wachsen.

„Wir sind glücklich 1:0 in Führung gegangen und haben glücklich das 1:1 über die Runden gebracht“, fasste Wollitz das Spiel korrekt zusammen, währenddessen Osnabrück trotzdem zeitweise den Klassenerhalt geschafft hatte, weil Kaiserslautern in Jena zurücklag. Eigentlich nur ein einziges Mal gelang es dem VfL, sehenswert nach vorn zu spielen: In der 14. Minute kombinierten Pierre de Wit, Thommy Reichenberger, Rouwen Hennings, Alex Nouri und Andreas Schäfer über links: Herauskam eine Chance, die gemessen am Rest gefährlicher Aktionen riesengroß war. Die zweite torgefährliche Aktion war das 0:1. In der zweiten Hälfte reichte es nur noch zu einer Schusschance von Paul Thomik, die man hätte verwandeln können, und einem Freistoß von Hennings, der knapp vorbei ging. Mehr nicht.

Anders sah es bei 1860 aus: Von Anfang an machten die Münchener Druck, und wenn sie über außen – egal ob rechts, aber lieber über links – angriffen, wurde es meist gefährlich vorm Osnabrücker Tor. Daniel Bierofka, der ein tolles Spiel im linken Mittelfeld machte und sich sehr oft als dritte Spitze zeigte, hätte das ein oder andere Tor machen können, Danny Schwarz fädelte immer wieder gefährliche Angriffe ein. Vor dem Strafraum gelang es 1860 immer wieder, die Osnabrücker beim Kurzpassspiel zu foppen und gute Distanzschüsse abzufeuern. Die hundertprozentige Chance vergab Kucokovic nach etwas mehr als einer Stunde. Die Münchener Spielfreude hatte ihre lila-weissen Gründe: Osnabrück stand oft viel zu tief, und die große Lücke zwischen Abwehrkette und Mittelfeld machte es den 60ern leicht, Überzahlsituationen zu erspielen.
Jo Enochs war von diesem Tempo offenkundig überfordert, hatte nach einer halben Stunde schon zwei Mal extrem dämlich foul gespielt und musste zu Recht noch vor der Halbzeit für Heidrich weichen. (Die andere Überraschung in der Startelf, Alex Nouri, konnte auch nicht glänzen, auch ihm schien das Spiel phasenweise zu schnell. „Zwei verdienten Spielern wollte ich etwas schenken“, dieser Plan von Wollitz scheiterte weitgehend, jedenfalls wenn er auf folgenreiche Reaktionen gehofft hatte.)
Jan Schanda versuchte auf ehrwürdigem Terrain, es seinem Kollegen Lucio nachzutun und schaltete sich ein ums andere Mal ins Angriffsspiel ein. Das sorgte mitunter für Gefahr, leider nicht nur vor dem Münchener Tor.
Paul Thomik tauschte die Positionen mit jedem seiner Mitspieler im Mittelfeld, leider ohne den Spielfluss der Münchener nachhaltig zu bremsen.
Thomas Cichon organisierte in erster Linie sich selbst statt seine Abwehr, und das oft nicht einmal auf gleicher Höhe; Reichenberger war völlig abgemeldet; Tino Berbig im Tor zeigte erneut deutliche Schwächen bei hohen Bällen und wirkte gerade am Anfang verunsichert.
Gut spielten lediglich Pierre de Wit, Andreas Schäfer, Matthias Heidrich und – ohne viel bewirken zu können – Rouwen Hennings.

Pele Wollitz fand es „nicht zwingend erforderlich, jetzt vor dem letzten, entscheidenden Spiel große Analysen zu machen“, jedenfalls nicht im Beisein von Journalisten. Intern wird er deutlicher werden, so deutlich wie in Sachen Koblenz zur versammelten Pressemeute. Die genaue Häufigkeit des Wortes „absolute“ – wahlweise gebraucht in Verbindung mit „Frechheit“, “Sauerei“, „Unsportlichkeit“ oder „Unverschämtheit“ – während der Pressekonferenz ist schwer zu überschlagen. Die absolute Zusammenfassung von Wollitz’ Brandrede passt dennoch in einen Satz: „Wenn die dann aus der Sitzung kommen und sagen: ‚Das war eine Entscheidung für den Sport.’ Da kann ich nur sagen: Nein! Das war keine Entscheidung für den Sport, sondern eine Entscheidung gegen Mannschaften, die absolut keine Lobby haben!“
1860-Geschäftsführer Stefan Ziffzer pflichtete dem VfL-Coach bei, mehr noch: Er wies auch auf eine weitere fragwürdige Liaison in dieser Liga hin, nämlich die bemerkenswerte Millionen-Schützenhilfe der Stadt Kaiserslautern für den FCK. Wollitz horchte seinen Worten, applaudierte, rief „Danke!“ – und verschwand. Sein Team darf sich an diesem energischen, trotzigen Auftritt ein Beispiel nehmen, denn im Endspiel gegen Offenbach muss der VfL besser spielen, und zwar deutlich.

(Ok, Theo Zwanziger hat gerade noch die Kurve gekriegt und sich keinen Eckel’schen Teufel aufbinden lassen. Jedenfalls vorerst nicht.)

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