Sonntag, 19. November 2006

vor dem entscheidungsspiel

Gladbach kämpft heute einen Kampf, der gewonnen werden muss, und zwar aus ganz verschiedenen Gründen. Das, was wir uns alle unter dem „Projekt Heynckes“ vorgestellt haben, droht sonst unter enormen Druck zu geraten. Und nachhaltige, geduldige Aufbauarbeit, die die Borussia bitter nötig hätte, funktioniert nun einmal nicht unter Druck. Das ist eine Feststellung, die auch die Verantwortlichen im Verein nicht überraschen wird, und diese Festellung hätte im Falle einer Niederlage gegen Hannover zwei Konsequenzen, die nicht weniger wahr werden, auch wenn Jupp Heynckes unter anderen Umständen der einzige Trainer sein mag, der einen Neuanfang in Gladbach bewerkstelligen kann.

Erstens wird Heynckes im akuten Abstiegskampf nicht den Relaunch der Borussia durchziehen können, den er sich vorgenommen hat. Zweitens ist, wenn die Erkenntnis auch bitter sein mag, Gladbach wie alle anderen Klubs nicht gefeit vor den Mechanismen der Branche. Heynckes’ Stuhl würde wackeln, auch, womöglich auch gerade, wenn alle das bestreiten; und auch, wenn wir uns grämen ob der kurzatmigen Notwendigkeiten eines in solchen Situationen eher dümmlichen Profifußball-Businesses. Verstecken kann man sich vor diesen Realitäten jedenfalls nicht; Herr werden kann man ihnen nur, wenn man Tacheles redet.

Gladbach hat, wie zuletzt in Hamburg offenkundig wurde, derzeit nicht die Klasse, souverän in sicheren Tabellenregionen zu wandeln. Es hat das Potenzial, das ja. Daran zu arbeiten, im Spiel nach vorn sicherer, im Kurzpassspiel schneller, im Torabschluss effizienter zu werden, dazu fehlt jedoch womöglich die Zeit und Ruhe, wenn die Borussia noch tiefer fällt. Es ist gleichwohl alternativlos, und Heynckes ist für diesen Job mit jungen Spielern prädestiniert. Dennoch bleibt ungewiss, ob ihn die Klub-Verantwortlichen auch für den Abstiegskampf mit einer jungen Mannschaft für prädestiniert halten. Oder ob dafür, wie überall anders auch, dann jemand anders herhalten muss. Überraschen könnte das nicht, weder sonstwo noch beim VfL.

„Gebt uns unsere Borussia zurück“, forderte Martin vor nicht allzu langer Zeit. Es mag wehtun, aber das, was derzeit im Borussia-Park über den grünen Rasen läuft, ist die Borussia. Das, was in einigen Köpfen noch als Urbild der Fohlen herumgaloppiert, ist womöglich viel eher ein Missverständnis, das dem Aufbau einer erfolgreichen Mannschaft entgegen steht. Wer sich stets an gülden Vergangenem orientiert, verstellt sich – siehe auch Köln – den Blick für realistische Träume. Vielleicht ist es der Vorteil eines Klubs wie Werder Bremen, dass es wirklich goldene Jahre und Jahrzehnte nie gegeben hat. So laufen sie in Bremen nie Gefahr, die Gegenwart an Erinnerungen auszurichten. Dort wird der Blick nach vorn gerichtet, mit Augenmaß und Cleverness.

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