Mittwoch, 1. November 2006

seitenwechsel #12

Auf schillernde Juwelen kann man von vielen Seiten blicken und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Beide Projekte haben ihren eigenen unverwechselbaren Charme. Seit Beginn der Saison 06/07 gibt es nun den SEITENwechsel: Seitenwahl und VfLog haben einen Briefwechsel begonnen, in dem alles möglich ist: Fachsimpelei, Verbalfouls, Streit und Harmonie. Solange die Tinte reicht, wird auf Seitenwahl und auf dem VfLog immer mittwochs der Brief der jeweils anderen Seite veröffentlicht.

Unten der zwölfte Seitenwechsel, diesmal hat wieder Mike zuerst geschrieben. Martins Antwort findet ihr bei Seitenwahl.


Hallo Martin, Hallo Maik!

Eine wahrlich turbulente Woche geht zu Ende und konträrer hätte sie für die beiden VfL nicht verlaufen können.
Nach dem Pokalduell unserer Mannschaften verliert die Borussia ihr erstes Heimspiel der Saison und die Lila-Weißen stürmen auf Platz 2 der Tabelle der Regionalliga, pikanterweise nach einem Spiel ebenfalls gegen Bayer Leverkusen, das Osnabrück gewinnen konnte.

Ich muss gestehen, dass ich keine Minute der Niederlage am Samstag gesehen habe. Ich hatte Jahrestag mit meiner Partnerin und selbst ein Fußballverrückter wie ich setzt ab und an Proritäten. Ich habe erst in der Nacht auf Sonntag erfahren, wie das Spiel ausgegangen ist. Ich zog es vor, gemeinsam mit meiner Holden ein schönes Abendessen zu genießen und anschließend ins Kino zu gehen. Da sie selber dem Fußball nicht vollends abgeneigt ist, schauten wir das "Sommermärchen" von Sönke Wortmann. Gut, dass ich zu diesem Zeitpunkt vom Ergebnis der Borussia nichts wusste. Zu brutal wären die Gegensätze gewesen, die mein Stimmungsbild da hätte verarbeiten müssen, wenngleich ich vom Film nicht so angetan war, wie es der Kinosaal an diesem Abend war. Ein mehr oder minder lustloser Zusammenschnitt der Videoaufnahmen, mit heißer Nadel gestrickt. So idealistisch Sönke Wortmann zum Teil wirkte, hier trieb ihn eher der Kommerzgedanke.

Geschockt haben mich am Sonntag eher die Reaktionen im Forum. Man könnte glauben, wir hätten soeben den 32. Spieltag erlebt und Borussia stünde mit 1,5 Beinen vorm Abstieg. Thomas beschrieb die aktuelle Situation in einem klugen Artikel. Ungeduld und überzogene Erwartungen sind Todfeinde einer jeden Entwicklung. Die letzten Jahre der Fluktuation haben zwar alle verflucht, geprägt haben sie anscheinend doch. Läuft es nicht, wird der Trainer in Frage gestellt, und die Mannschaft natürlich. Man bezahlt ja schließlich und will unterhalten werden. Das Idealistische, das in Mönchengladbach einst mit Händen zu greifen war, ist längst einem Köln- und München-ähnlichem Dauernörgeln gewichen. Söldner werden verschmäht, man will eigene "Fohlen". Die sollen aber bitte mindestens das Niveau eines Marcell Jansen erreichen, und bitte diesmal etwas schneller. Wenn Fans so oft beklagen, und ich ertappe mich bisweilen selber dabei, dass Borussia mit sehr wenigen Ausnahmen schon seit Jahren kein Spiel mehr in begeisternder Weise herumgerissen hat, sollte sich jeder fragen, woran das ebenfalls liegen kann. Hier soll kein falscher Eindruck geweckt werden: nicht die Fans sind schuld, wenn Borussia verliert. Doch trägt die Stimmung einen erheblichen Teil dazu bei und bei einem gellenden Pfeifkonzert, das von Woche zu Woche früher einsetzt, ist die Chance auf eine "begeisternde Wende" doch eher gering. Selbst grottige Spiele wie das 2:0 gegen Aufsteiger Cottbus, als der Sieg mehr der Fahrlässigkeit der Gäste denn der eigenen Souveränität verschuldet war, werden gefeiert. Da fehlt der objektive Blick, der Blick fürs Ganze fehlt ohnehin seit Jahren. Der Sieg zählt, nichts anderes. Eine traurige Entwicklung!

Doch will ich heute nicht ausschließlich mit negativen Gedanken abschließen. Die Entwicklung beim VfL Osnabrück ist wahrlich positiv und zu begrüßen. Wollitz scheint nach einem enttäuschenden letzten Jahr wahrlich die Mischung gefunden zu haben. Eines hatte er auf jeden Fall: die Unterstützung und die Geduld vom Vorstand. Hoffen wir, dass Borussia ähnlich denkt und handelt, trotz gegenteiliger Bekundungen des zahlenden Publikums. Ein Nachteil im Aufstieg sei jedoch bedacht: das automatische Heimrecht bei der Auslosung entfällt.

Es grüßt herzlich
Mike

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