Eines Tages, wenn Facebook verboten ist, die letzte Twitter-Message verfasst, die letzte SMS geschrieben ist, wird es doch immer noch Briefe geben. Zumindest den Seitenwechsel, den wir uns seit Urzeiten mit den lieben Kollegen von Seitenwahl schreiben. So heiß die Liebe zwischen uns, so kalt sind doch Martins Gefühle in dieser Woche. Er klagt mit Tee auf Seitenwahl. Joachim kennt wie immer keinen Kummer, und schaltet lieber die Olympischen Spiele ein.
Lieber Martin,
Du hast vollkommen recht: Machen wir es uns gemütlich. Draußen schneit es, Autos mit Sommerreifen fliegen am Wohnzimmerfenster vorbei, ganz Griechenland ist bei Lidl für 99 Cent im Angebot. Da bleibt man am besten in der guten Stube und träumt. Womit ich eher Tagträume meine. Letzte Nacht beispielsweise habe ich nämlich geträumt, daß in einer Bahnhofshalle zwei Airbusse nebeneinander fliegen und gleichzeitig in Flammen aufgehen. Muß mir das etwas sagen? Kurz danach träumte ich, daß mein Zug (der aus der derselben Halle abfahren sollte) Verspätung hatte. Kein Wunder nach dem Chaos, das die zwei Airbusse angerichtet haben, könnte man zurecht einwenden. Und dennoch, siehe da: Heute morgen war mein Zug ausnahmsweise pünktlich, zumindest als er abfuhr. Was sagen uns also (Nacht-)Träume? Nichts, aber sie können verdammt gute Unterhaltung darstellen, zumindest wenn man gerade nicht fliegt.
Daß Matmour für uns ein Tor schießt, ist nun aber wirklich der abgefahrenste Traum, den ich seit langem gehört habe. Hast Du etwa "Substanzen" in dem Tee, der auf Deinem Stövchen brutzelt? Ich hatte immer schon den Verdacht, daß das, was uns in exotischen Läden als Kräutertees verkauft wird, in Wirklichkeit direkt von den Plantagen Afghanistans kommt. Ich selbst trinke jedoch nur Kamillentee, wie Du weißt, und beim Fußballgucken Bier. Meistens Jever, schon bevor die Borussia gesponsert haben. Ich habe halt generell guten Geschmack, und Jever anscheinend auch (ich wiederhole mich gerne alle paar Wochen: Hier könnte auch IHRE Werbung stehen!).
Lieber Martin, daß Du Dich langweilst, ist ein hartes Los, doch gleichzeitig ein unvermeidlicher Zwischenschritt. Sinn machen die derzeitigen Spiele nur, wenn Du sie als Übergangsphase definierst, so wie eine niedlich bunte Raupe erst eine unscheinbar graue, an einem Blatt klebende Puppe wird, bevor letztlich der schöne Schmetterling entschlüpft. Deshalb irritiert es mich auch nicht, daß sich bis Freitag der 1. FC Köln in der Tabelle über uns befindet: Das ist die Schmeißfliege, die sich kurz auf das Blatt setzt, unter dem die Puppe hängt. Gleich erhebt sie sich, summt noch einmal vernehmlich und plumpst dann unter Aufgabe ihrer nichtigen Existenz zu Boden. Kurz darauf entfaltet sich der Schmetterling und tanzt dem Licht entgegen.
Weniger blumig ausgedrückt ist es halt unser Los, weniger Adrenalin als sonst zu verspüren, wenn man nicht mehr im unmittelbaren Abstiegskampf steckt und noch nicht weit genug ist für höhere Aufgaben. Letzteres hat das Mainz-Spiel ja unstrittig belegt. Ich kann mich darüber ehrlich gesagt ü-ber-haupt nicht aufregen, und vielleicht ist es das, was Du – nachvollziehbar – vermißt. Wir haben verloren, weil wir uns halt a bisserl dumm angestellt haben. Nicht dumm in dem Sinne, daß alle unfähig waren, sondern weil hier ein klein wenig Mangel an Konzentration herrschte, da ein bißchen Pech dazu kam, dort mangelnde Abgeklärtheit, und fertig ist ein 0:1. Wir wissen, daß wir es besser können, und deshalb ist spätestens seit Montag früh die Devise, aufs nächste Spiel zu schauen. Mit Emotionen hat das in der Tat sehr wenig zu tun, aber ich möchte ehrlich gesagt nicht jedes Wochenende kurz vor dem Herzkasper stehen, weil irgendein gegnerischer Tünnes bei uns kurz davor steht, das 4:4 zu machen..
Nun, diese Diskussion trifft mich in dieser Woche auf dem falschen Fuß, denn für mich ist Fußball die nächsten gut zwei Wochen eher Nebensache. Jetzt kommt erst mal die Olympiade. Ich muß gestehen, zu einer der widerwärtigsten Kategorien der Menschheit zu gehören, den Medaillenzählern. Und da blicke ich jetzt zielstrebig voraus auf Platz eins der Medaillenwertung. Mir muß keiner kommen mit Umständen, Einzelfällen, aufholenden Kleinstaaten oder "Dabei sein ist alles!": Aus Vancouver brauche ich Gold, und zwar in Massen. Egal, ob beim Scheibenschießen, Eisfegen oder diesem Schwachsinn, wo man über Huckel hüpft und dabei die Beine spreizt.
Da das hier aber eine Fußballseite ist und keine Buckelpiste, übersetze ich Dir das noch eben in klares Deutsch, für Freitag abend: Drei Punkte müssen her! Und Pokale. Aus Gold, mit Henkeln dran. Und Scheiben, flach wie die Erde, mit Rubinen und Smaragden. Die sind zwar alle erst für nächste Saison, aber dann haben wir ja auch wieder Emotionen. Oder umgekehrt. So lange verlieren wir eben in Mainz, gewinnen gegen Nürnberg und trinken Tee. Es gibt wahrlich Schlimmeres!
Es grüßt Dich aus dem Fenster schauend und "Wo ist Behle?" rufend (die älteren Leser werden sich erinnern)
Dein Joachim
Donnerstag, 11. Februar 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen