Freitag, 31. August 2007

speiseplan

Besondere Feste verlangen besondere Vorbereitung. Wegen des Vfduells am Sonntag im BorussiaPark gibt es in dieser Woche keinen Seitenwechsel, sondern mal was anderes: Die lieben Kollegen von Seitenwahl schreiben vor jedem Spiel der Borussia faktenreich und ausführlich über die Lage der Dinge in Gladbach und den aktuellen Gegner. In dieser Woche haben sie uns eingeladen, an diesem Aperitif mitzuwirken.

Die Borussia

Ganze drei Spieltage hat es gedauert, bis die reflexartig entstehenden Diskussionen in Mönchengladbach zu beobachten waren. Was in den Medien zurzeit noch als leiser Anflug gewertet wird, hat der Boulevard naturgemäß schärfer aufgegriffen und damit den Nerv der Fans getroffen, für die die Trainerfrage schon seit der Halbzeit beim Auswärtsspiel in Mainz das alles beherrschende Thema ist. Wie sehr Luhukay mit seiner Bitte um Geduld auch recht haben mag. Viele Fans sehen Fakten: Die bisher absolvierten Spiele und die gezeigten Leistungen sind eine bloße Fortführung der Katastrophensaison 2006/2007, in der sich dieser Jos Luhukay fast die Hälfte der Saison verantwortlich gezeichnet hat. Borussia steht bereits im zweiten Heimspiel der neuen Saison da, wo sie schon so/zu oft stand: mit dem Rücken zur Wand.

Borussias Defensive
Christofer Heimeroth kommt in der allgemeinen Schelte auf Trainer und Mannschaft neben Marko Marin noch am besten weg. Der Ex-Schalker machte in den bisherigen Spielen keine gravierenden Fehler und war an allen Toren machtlos. Auch wenn er im Heimspiel gegen Hoffenheim in der ersten Halbzeit sogar das Unentschieden rettete, gibt es nicht wenige Fans, die dennoch lieber Ersatztorwart Uwe Gospodarek zwischen den Pfosten sehen würden. Natürlich ist Heimeroth als Nr. 1 gesetzt, das wird auch gegen Osnabrück der Fall sein.

Nach vier Gegentoren in einem Spiel fällt es schwer, die Abwehrformation stark zu reden. In Mainz erwischten alle vier Abwehrspieler einen schwarzen Tag. Das kann passieren, wirkte in dieser Wucht und Ansammlung erschreckend auf den Beobachter. Zumal mit Bögelund, Voigt, Brouwers und Gohouri keine unerfahrenen Nachwuchsspieler ihren Dienst in hinterster Front absolvieren. Die Schwächen, die bei schnellen gegnerischen Stürmern schon in der Vorbereitung zu sehen waren, müssen dennoch schnell abgestellt werden, auch wenn der VfL Osnabrück weder so offensiv noch so gut agieren wird wie Mainz vergangenes Wochenende. Am Sonntag werden erneut Bögelund und Voigt gefordert sein. Weniger in der Defensive als in der Offensive. Gegen tief stehende Gegner zu Hause müssen beide aufrücken und Impulse setzen. Da Ndjeng verletzungsbedingt ausfallen wird, dürfte Marin auf die rechte Seite rücken, während Coulibaly über links kommen wird.

Ein weiterer Schwachpunkt gegen Mainz war das defensive Mittelfeld. Der von vielen Experten vor der Saison hochgehandelte Patrick Paauwe vermochte es nicht, die Abwehr zu ordnen und die schnellen Mainzer Angriffe zu unterbinden. Dazu fiel sein sonst so starkes Passspiel nahezu völlig aus. Eine neue Chance kommt gegen Osnabrück: Da Jos Luhukay aller Voraussicht nach auf sein favorisiertes 4-5-1 verzichten wird, muss Patrick Paauwe alleine vor der Abwehr agieren.

Borussias Offensive
Das alte Sorgenkind der vergangenen Saison ist es auch in der neuen. 2 Tore in drei Pflichtspielen, dazu kein klassiches Stürmertor und keines aus dem Spiel heraus. Wenn Borussia in dieser Saison um den Aufstieg mitspielen will, muss dieser Mannschaftsteil dringend eine Besserung erfahren. Die Qualität dazu ist ohne Zweifel vorhanden, doch entweder sitzt sie auf der Bank, ist noch nicht integriert, verletzt und angeschlagen oder hat - wie zuletzt Sascha Rösler - einen schwarzen Tag. Glücklicherweise sollte Oliver Neuville zwischenzeitlich soweit fit sein, dass eine Nominierung für die Startelf in Frage kommt. Neben Neuville wird Rob Friend stürmen. Sharbel Touma, mit vielen Vorschusslorbeeren aus Holland gekommen, konnte das Vertrauen in Mainz nicht zurückzahlen. Somit wird der Schwede nach nur einem Spiel wieder auf der Bank Platz nehmen müssen.

Der VfL

"Eigentlich gehören wir nicht in die 2. Bundesliga!“ Diese Worte spricht nicht irgendein abgehalfterter Abwehrspieler, der auf der Ersatzbank schmort oder ein schmollender Ex-Präsident, sondern sie stammen von Osnabrück-Coach Claus-Dieter Wollitz. In seiner vierten Saison an der Bremer Brücke - so lange war seit 45 Jahren kein Osnabrücker Trainer mehr im Amt - heißt das große Ziel Klassenerhalt. Wie selbstverständlich erwarten dürfe das jedoch niemand, warnt Wollitz, vielmehr müssten Fans und Umfeld der Mannschaft Rückschläge verzeihen und sie immer wieder bedingungslos unterstützen – nur sei das kleine Wunder möglich.

Ähnlich wie in Gladbach droht auch in Osnabrück schnell Ungemach, wenn es mal einige Wochen nicht rund läuft. Nach dem viel versprechenden Start (5 Punkte und damit noch keine Niederlage) ist die Stimmung derzeit allerdings blendend, auch wenn die Mannschaft beim 0:0 letzte Woche gegen Paderborn eher enttäuschte. Das fand sogar ihr Trainer. Trotzdem: Es scheint fast so, als könnte auch die ein oder andere erwartbare Niederlage dem Osnabrücker Glück so schnell nichts anhaben. Noch überwiegt deutlich die Freude, in dieser Bundesliga der Herzen überhaupt mitspielen zu dürfen.

Das Team hat sich in den vergangenen Jahren stets weiter entwickelt, der Trainerstab hat es auch zur neuen Saison klug verstärkt. Von als Querulanten gebrandmarkten Spielern (De Jong, Cartus) hat man sich getrennt und der Mannschaft eine – dringend nötige – Verjüngungskur verordnet. Wenn der VfL irgendwann einmal so spielt, wie Wollitz sich das vorstellt, sähe man druckvollen Angriffsfußball. Noch spielen die Liganeulinge eher passiv und unsicher.

Osnabrücker Defensive

Im zweiten Jahr hütet Frederik Gößling das Osnabrücker Tor. In den ersten beiden Saisonspielen (Freiburg, Wehen) machte er nicht immer eine glückliche Figur, jetzt scheint er seine Form wieder gefunden zu haben. Gegen Paderborn hielt er das Unentschieden fest. Auf Gößlings Fersen wartet Tino Berbig auf seine Chance, der ein alter Bekannter in Osnabrück, weil Gößlings Vorgänger im Kasten ist. Berbig war zwischenzeitlich zu Dynamo Dresden gewechselt und ist mittlerweile reumütig zur Bremer Brücke zurückgekehrt. Im Tor ist Osnabrück gut aufgestellt. Am Sonntag im BorussiaPark wird Gößling spielen.

Die Abwehrkette bilden derzeit rechts Marko Tredup, dann Thomas ‚Franz’ Cichon und Neuzugang Marcel Schuon in der Mitte und links Andreas Schäfer. Cichon, verwunderlicherweise schon seit einem guten Jahr sichere Stütze in der VfL-Abwehr, und Schuon organisieren die Verteidigung recht verlässlich, insbesondere wenn man bedenkt, dass sie erst seit dieser Saison zusammen spielen. Die Außenverteidiger sind nicht erst neuerdings potenzielle Krisenherde. Marko Tredup spielte bisher zwar solide, ist aber mit desaströsen Auftritten aus dem Frühsommer noch in bester Erinnerung und taugt immer mal zur Schwachstelle. Auf seiner Position hat der VfL mit dem Leverkusener Leihgeschäft Assimiou Touré unter der Woche eine Alternative verpflichtete, die aber so kurzfristig sicher nicht eingesetzt wird. Andreas Schäfer hat auf seiner Position gegenüber geradezu ein Monopol. Auch er sorgt immer mal wieder für Kopfschütteln auf Rängen und Trainerbank, dabei hätte er eigentlich das Potenzial für die 2. Bundesliga. Der VfL sucht jedenfalls händeringend nach Konkurrenz auf links hinten.

Im defensiven Mittelfeld spielt Wollitz seit Saisonbeginn mit zwei Sechsern. Der eine ist Matthias Heidrich, Neuzugang von Alemannia Aaachen. Der andere war bis vorletzte Woche Pierre de Wit, wie Touré entliehen von Bayer Leverkusen. De Wit machte einen ungemein spielstarken und gewitzten Eindruck, dann riss ihm das Kreuzband. Als sein Ersatz versuchte sich gegen Paderborn der formschwache Alex Nouri – eigentlich ein idealer Spieler für diese Position. Er blieb blass, dürfte aber gegen Gladbach eine zweite Chance bekomme. Alternativ könnte Oliver Beer auf Wollitz’ Zettel stehen.

Osnabrücker Offensive

Die Spitze der Osnabrücker Offensive steht in der Spitze: Thomas Reichenberger ist torgefährlich und überzeugt mit einer klasse Spielübersicht. Reichenberger ist in diesem Team womöglich der einzige Spieler, der nicht zu ersetzen wäre, sollte er einmal ausfallen. Hinter ihm sucht Nico Frommer als offensiver Mittelfeldspieler noch das letzte Quäntchen Durchblick und Kreativität. Auf den Außenbahnen ließen die Neuzugänge Paul Thomik und Gaetano Manno ihre Klasse bereits mehrfach aufblitzen. Insgesamt trauen sich die Lila-Weissen im Spiel nach vorn allerdings noch zu wenig zu und haben zu sehr Angst, Fehler zu machen. Im Spielaufbau hat der VfL bisher nur in Ansätzen gezeigt, was er unter Umständen drauf haben könnte. Mit dem formschwachen Bilal Aziz und dem gerade in Gladbach eher belächelten und schon lange verletzten Markus Feldhoff kämpfen sich zwei Spieler ans Team heran, auf die ihr Coach in Bestform große Stücke hält.

Die Qualität des Osnabrücker Kaders dürfte unter normalen Umständen konkurrenzfähig sein. Gemessen an Gegner wie Offenbach, Paderborn, St. Pauli, Jena oder Koblenz hat sich der VfL gut verstärkt und müsste sich mit dem Glück des tüchtigen Liganeulings auf einem Nichtabstiegplatz behaupten können. Das klappt allerdings nur mit den bewährten Tugenden: Kampf, absolute Leidenschaft und Mut, nach vorn zu spielen; mithilfe der ersten beiden hat Osnabrück bereits fünf Punkte geholt, ohne die letzte werden es zu wenige bleiben. Gegen Gladbach spielt die Mehrzahl der Osnabrücker Spieler vor der bisher größten Kulisse ihres Lebens. Deshalb dürften Respekt und Unsicherheit auch im vierten Saisonspiel noch wahrscheinlicher sein als der Glaube ans eigene Können.

Aufstellungen
Borussia: Heimeroth - Bögelund, Brouwers, Gohouri, Voigt - Paauwe - Marin, Rösler, Coulibaly - Neuville, Friend
Ersatz: Gospodarek, Compper Polanski, Svärd, Rafael, Touma, Colautti
Es fehlen: Schachten, Daems (beide im Aufbautraining)

VfL: Gößling - Schäfer, Cichon, Schuon, Tredup - Heidrich, Nouri - Thomik, Frommer, Manno - Reichenberger
Ersatz: Geisthardt, Flottmann, Ehlers, Schanda, Beer, Touré, Enochs, Aziz, Hennings, Feldhoff, Chitsulo
Es fehlen: de Wit, Surmann (verletzt), Großöhmichen (angeschlagen), Grieneisen, Ndjeng (beide im Aufbautraining)

Wer noch immer denkt, über Gladbach und das Vfduell am Sonntag nicht ganz im Bilde zu sein, findet hier den kompletten Seitenwahl-Vorbericht.

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