Donnerstag, 11. September 2008

seitenwechsel #61

Nummer 61. So viele Brand-, Schmäh- oder Liebesbriefe haben wir uns schon mit den lieben Kollegen von Seitenwahl geschrieben. Und wie Walter Junghans fordert: Wir machen weiter, immer weiter. Unser altes Swingerclub-Motto gilt dabei auch in der neuen Saison: Alles kann, nichts muss. Joachim Schwerin fragt diesmal, ob wir französisch können, und alte Chauvinisten, die wir sind, antworten wir: Ja, selbstverständlich. Was die SPD dazu sagt und warum Dynamo Dresden luxemburgischer Meister wird, lest ihr bei Seitenwahl.

Lieber Martin,

vielen Dank für Deine entspannten, vom nahenden Urlaub beseelten Zeilen. Welches Thema Du auch anschneidest, Du landest letztlich bei „Frankreich“. So sprichst Du vom Franzosen in mir. Ich habe gesucht, doch niemanden gefunden: kein Franzose in mir. Du erwähnst, mein Textverarbeitungsprogramm beginne automatisch mit einer französischen Kennung. Nein: Ich habe zwei PCs; beim einen ist ein niederländisches Word-Programm installiert, beim anderen eines, das ständig französische Texte einfordert. Wie Du weißt, wohne ich in Belgien, da ist das eben so, allein aus Gründen der (langsam zerbröselnden) Staatsraison. Hast Du zwei PCs, spricht eben einer Französisch, der andere Niederländisch. Eigentlich sollte auch noch ein dritter da sein, der auf der Verwendung des Deutschen besteht, schließlich hat das Land drei offizielle Sprachen. Doch ach, es geht das Gerücht, sollte das Land zerfallen, daß die deutschen Ostkantone den Anschluß an Luxemburg suchen wollen. Luxemburg stellt aber keine Textverarbeitungsprogramme her. Dumm gelaufen. Liebe Deutsch-Belgier, besinnt Euch, daß Ihr Preußen seid, dann ist das Gleichgewicht wiederhergestellt.

Hat das alles etwas mit Fußball zu tun? Höchstens im weitesten Sinne. Frankreich unterliegt in Österreich, dieses Land hat also schon einmal nichts mit Fußball zu tun. Ich habe zwar keinen Franzosen in mir, dafür einen bei Borussia auf der Linksverteidigerposition gefunden. Der aber hat scheinbar auch wenig mit Fußball zu tun, zumindest in seiner derzeitigen Verfassung. Bleibt Belgien: Die Roten Teufel (allein dieser Name stößt mir wegen seiner Anlehnung an Kaiserslautern übel auf, wie wir letzte Woche besprachen) haben mühsam Estland niedergerungen, und wer war mit zwei Treffern Matchwinner und bester Mann auf dem Platz? Wesley Sonck. „Ihr seht doch selbst, daß ich immer spielen muß!“, rief er nach dem Testspiel gegen Italien (Klatsche; Ehrentreffer: Sonck) den Journalisten zu. Und recht hat er, denn ansonsten weiß derzeit niemand seiner französisch-niederländisch-borussoletzeburgischen Landsleute, wo das Tor steht. Übrigens spielte er nicht als Stürmer, sondern als Marin, also im linken offensiven Mittelfeld. Vorteil: Er konnte so nie abseits stehen, und er durfte sich die Bälle selbst vorlegen, weswegen er außer sich selbst niemanden anzumuffeln brauchte, wieso denn die Pässe immer so schlecht waren. Einziges Problem: Selbst ein Sonck kann nicht immer so viele Tore schießen, wie die amateurhafte Innenverteidigung reinläßt. Nein, ich spreche nicht von Borussia, sonder immer noch von Belgien. Was van Buyten und Kompany seit Monaten spielen, ist unter jeder sprichwörtlichen Sau. Daems, übernehmen Sie. Zumindest die belgische Innenverteidigung. Von mir aus auch Belgien.

Oder Luxemburg, was nicht zu verwechseln ist mit Liechtenstein. Ich bin ja ein langjähriger Freund Liechtensteins (ich rede jetzt von Fußball, nicht von Geldkoffern), kenne den dortigen Fußball gut und weiß daher, daß Liechtenstein fußballerisch keineswegs mit Luxemburg vergleichbar ist. Nur glaubt mir das keiner. Mantrahaft habe ich wochenlang jedem, der es wissen oder nicht wissen wollte, warnend eingeflüstert, Liechtenstein sei nicht Luxemburg. Meist wurde ich mitleidig belächelt, und auch meine bessere Hälfte, die eigentlich profunde Sachkenntnis aufweist, setzte nur ihren „Laß ihn reden…“-Blick auf. Und dann fahren unsere Jungs da hin, gewinnen 6:0 und beklagen sich hinterher über die Torausbeute. Da kann ich nur staunend flüstern: So wird man Weltmeister! Das einzige, das mich irritiert, ist, daß in dieser Nationalelf der Jüngste die Ecken schießt. Als ich aufwuchs, war das auf meinem Bolzplatz Chefsache (nun, mein Bolzplatz war rund, aber hätte er Ecken gehabt, wäre es Chefsache gewesen). Aber wenn es hilft! Ecke, Tor, so einfach kann Fußball sein, wenn er von jemandem gespielt wird, der sich auskennt.

Das wirft somit die wirklich wichtigen Fragen auf, die mir vielleicht hier jemand beantworten kann, der nicht frankreichumflort ist, sondern festgefügt in westniedersächsischer Erde allen Unbilden trotzt: Gibt es in Osnabrück Ecken, oder ist Osnabrück rund? Wer tritt die Ecken, und darf er das? Und fällt dann das Runde auch ins Eckige? Schön, daß bald die langen Winterabende beginnen, denn da kann man zu solchen Themen lange Briefe schreiben.

Es grüßt Euch, lieber Martin und lieber Maik, mit einem kleinen Sonck im Herzen (linke Vorkammer),
Euer Joachim

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