Sonntag, 14. September 2008

bad vibrations

„VfL verliert 1:2 – trotz 2 Elfmetern. Erbärmlicher Fußball.“ Der aktuelle VfLog-Ergebnis-Newsletter (18,99/SMS in alle deutschen Mobilfunknetze) war schon getippt.
„Wahnsinnsspiel. 3:2 gewonnen. 3 Elfer, alle schießt Cichon, den 1. und 3. trifft er. Bis zur 87. führt Frankfurt zu zehnt 2:1. Insgesamt erbärmlicher Fußball.“ Zum großen Glück hat der Schlussredakteur in unserer Nachrichtenzentrale den -pfiff abgewartet und den Textvorschlag entsprechend editiert. Und das Spielende war nur die Ouvertüre zum nächsten Crescendo.

Nach einem müden und über weite Strecken uninspirierten Fußballspiel lieferten sich immerhin die beiden Trainer auf der Pressekonferenz einen aggressiven Zweikampf. Schon während der regulären Spielzeit hatten sich Tomas Oral, Teamchef des FSV Frankfurt, und VfL-Coach Pele Wollitz stattlich bearbeitet, nur war unklar, worum es ging. „Nüchtern und sachlich“ sprach Oral anschließend vor versammelter (Journalisten-)Mannschaft Klartext. „Das hat mit Fairplay nichts mehr zu tun. Immer Theatralik, ständig Provokationen. Es ist ein Unding“, sprach Oral direkt in Richtung Wollitz, „dass man so was noch fördert.“ In Osnabrück würden hier Fouls geschunden und dort welche provoziert, jeder kleine Fehltritt würde permanent zur schweren Tätlichkeit hochsterilisiert und Trikothalten mit schmerzverzerrtem Gesicht quittiert. Nach Spanien möge man schauen oder England, da würden diese Unarten als das markiert, was sie seien: unanständig. „Das weiß ich ja schon vorher ganz genau: In Osnabrück oder auch in Kaiserslautern, da geht das so! Und das ist einfach nur unfair.“ Adressat Wollitz wunderte sich.

Süß war er, dieser Auftritt. Und sympathisch, weil emotionaler, unmittelbarer, kontroverser als das gewöhnliche Pressekonferenz-Gefasel. Symptomatisch, dass anschließend kein Journalist Fragen hatte: Unfriede und Ärger, das sind sie nicht gewohnt im heimeligen Stelldichein bei Kaffee und Kuchen, wo doch sonst immer alles so friedlich und lieblich und einvernehmlich ist. Auf den ersten Blick mag man Tomas Oral einen schlechten Verlierer schimpfen, der einigermaßen haltlose Vorwürfe macht, und das einem Kollegen, dem gerade in Sachen Fairness und Gerechtigkeit schwierig beizukommen ist. Auf den ersten Blick mag man Tomas Oral einen ziemlich dummen Auftritt attestieren. Doch auf den zweiten Blick ist das alles verzeihlich, hat Oral sich doch wie ein angeschlagener Tiger und voller Leidenschaft vor sein Team geworfen, ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist aller Ehren wert, und dieselben Pferde hätten umgekehrt mit Wollitz auch durchgehen können. Mögen sie sich bald wieder die Hand schütteln, weiter streiten und ein Bier trinken, das wäre angemessen.

Denkwürdig war das Spiel auch in weiteren Hinsichten. Denkwürdig schlecht etwa. Beim VfL hatten die beiden stärksten Spieler Lars Fuchs und Nico Frommer ihre liebe Mühe, den Rest der Mannschaft mitzureißen. Sehr behäbig ließ Osnabrück es im Spielaufbau angehen, oft fehlte jede Variabilität, und die wenigen kreativen Ideen blieben Ideen, weil mögliche Anspielstationen einfach nicht mitdachten, besonders auf der rechten Seite. Wenn es mal schnell ging, wurde es gefährlich, aber selten ging es schnell. In der Rückwärtsbewegung war oft viel zu viel freier Raum zwischen einerseits Angriff und Mittelfeld und andererseits Abwehr. Das erlaubte den Frankfurtern ein paar feine Angriffe, allen voran die beiden Stürmer Cenci und Mehic und Mikolajczak im rechte Mittelfeld spielten stark. Wie unzufrieden die Osnabrücker Spieler mit sich selbst waren, zeigte sich in diversen Meinungsverschiedenheiten, etwa zwischen Wessels und Anderson oder Schäfer und Cichon. Jener schoss allerdings in der 44. Minute das 1:0 per Elfmeter: Der Frankfurter Übeltäter Schumann soll eine Hereingabe von Frommer zuvor mit der Hand abgewehrt haben. Dank dieser glücklichen Führung schickte das Publikum die Mannschaft mit leichtem Applaus in die Kabine. Das hätte sich bei einem 0:0 anders angehört, wahrscheinlich sogar zu Recht.

In der zweiten Hälfte schlief der VfL lange Zeit selig und ruhig, obwohl sich Marvin Braun bei seinem Debüt in lila-weiß redlich mühte, dabei nicht tatenlos zuzusehen. Als das Team von den anderen beiden Einwechselspielern Dominic Peitz und Fiete Sykora geweckt wurde, hatte Cenci den Ausgleich mit einem tollen Kopfballtreffer bejubelt, bevor Barletta, ebenfalls per Kopf und in Trainingsspiel-Manier, die Frankfurter Führung erzielt, Frankfurts Dennis Hillebrandt die gelb-rote Karte kassiert und Cichon einen zweiten Strafstoß verschossen hatte. Doch die zwei Osnabrücker, die dieses Spiel zusehends unbedingt gewinnen wollten, reichten: Sykora und Peitz rissen ihre Mannschaftskameraden mit. Fast schien es sogar, als hätten sie auch Schiedsrichter Bandurski mitgerissen, denn dass der die Chuzpe hatte, in der Nachspielzeit einen dritten Elfmeter für Osnabrück zu pfeifen, ist: denkwürdig, und zwar etwa in dem Maß, wie sich anschließend Thomas Cichon von keinem seiner Mitspieler eines Schlechteren belehren ließ und trotz Fehlversuch ein drittes Mal antrat.

Orals Frankfurter verloren in fünf Minuten ein Spiel, das sie nicht hätten verlieren dürfen, denn dafür war Osnabrück zu schlecht. Wollitz’ Osnabrücker gewannen ein Spiel, das sie eigentlich schon verloren hatten, doch dafür war Schiedsrichter Bandurski zu mutig. Drei Elfmeter in einem Spiel für eine Mannschaft, die man allesamt pfeifen kann, aber nicht unbedingt muss, brachten Wollitz drei Punkte und Oral auf die Palme. Alles in allem mehr als erwartbar.

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