Donnerstag, 17. September 2009

seitenwechsel #91

Auf und nieder, immer wieder. Was für schlechte B-Pornos und bei uns im Swingerclub gilt, ist auch für die VfLs Anspruch und Auftrag zugleich. Ob sie gut dabei waren oder schlecht, das besprechen wir Woche für Woche mit den lieben Kollegen von Seitenwahl. Schon mehr als zwei Jahre währt unsere lauschige Brieffreundschaft namens "Seitenwechsel".
Heute: Folge 91. Joachim hat Zahnschmerzen und sich deshalb in eine Gruft eingegraben. Vorher schrieb er uns besorgniserregende Zeilen. Maik referiert bei Seitenwahl über Krankheit, Kummer und Kötz, äh: Götz.


Lieber Maik (oder schreibe ich diese Woche wieder an Martin?),

manchmal sitze ich vor einem weißen Blatt Papier (sprich: Bildschirm), und mir fällt nichts ein. Nein, das ist nicht richtig: Mir fällt viel ein, aber ich darf es nicht schreiben, sonst bekomme ich Beleidigungsklagen zuhauf. Dann bin ich kurz davor, den PC auszuschalten, doch in der obersten Schublade des Schreibtischs lugt eine Ecke eines Geschriebs raus. Es ist der Knebelvertrag mit dem VfLog, den ich neulich nach Genuß einer Flasche Advocaat voreilig und geistig umnachtet unterzeichnet habe. Und da steht drin: Bis Sommer 2010 jede Woche einen Brief schreiben.

Tatsächlich habe ich diese Woche bereits einen Brief geschrieben, im Büro. Ja, ich schreibe tatsächlich noch Briefe (wirklich, liebe Postler, ICH bin es, Euer Kunde). Leider zählt das hier aber nicht. So greife ich wieder auf alte Strategien aus meiner Studentenzeit zurück. Ich tippe einfach das erstbeste Wort, das mir in den Sinn kommt.

*trommelmitdemfingeraufdenschreibtisch*

*kratzamohr*

*öhmmm*

„Nürnberg“.

Ja, Maik, Nürnberg. Es ist inzwischen Mittwoch, und ich bin immer noch verärgert. Zwei Wochen lang – wir hatten fußballfreie Zeit, Du erinnerst Dich, und sind derweil Europameisterinnen gewonnen und haben den A-Jan geschlagen – habe ich mich auf das Nürnberg-Spiel gefreut, hundertmal täglich von Punkten geträumt, Flugpläne nach Tromsö und Guimaraes studiert, und dann dies: Unnötig verloren. Das ärgert mich am meisten. Verlierst Du unbedarft 3:0, dann kramst Du einfach den alten Lieblingssatz aus dem Müll („Wir sind noch nicht so weit.“) und fertig. So aber bin ich selbst fertig, und zwar gründlich.

„Matmour“, fällt mir an dieser Stelle als nächstes Wort ein. Das ist ungerecht, ich weiß, aber er ist gerade Lieblingsobjekt meines Zorns. Arango war müde, na gut, Bobadilla muß sich noch eingewöhnen, fein, Marx und Engels spielen sowieso besser als jemals erwartet und sind somit derzeit immun, okay, aber Matmour sollte inzwischen wissen, was Augen sind und wofür man sie hat. Daß man zum Beispiel den Nebenmann sieht. Statt dessen dribbelt und dribbelt er, während man mit hochrotem Kopf brüllt „Spiel doch ab!“, doch nein, Ohren zum Hören hat er auch nicht. Chancen haben wir doch erst gekriegt, als Reus und die invaliden Sturm-Opas im Spiel waren, die halten nichts von Handballtaktik um den Strafraum herum, sondern wissen, wo das Tor steht.

Apropos Zorn: Habe ich Dir schon erzählt, daß ich mir die Eckzähne angespitzt habe, um noch gefährlicher auszusehen? Zwei meiner Lieblinge stehen vor der Tür (nein, leider nicht wirklich, nur bildlich gesprochen), nämlich der große Boss der Betriebssportgemeinschaft Traktor Sinsheim und Peter der Große, der beste Fußball-Lehrer diesseits des Andromeda-Nebels. Machen wir eine Deal: Ich verzeihe allen alles, wenn wir Hoffenheim und Duisburg putzen. Selbst dem Matmour, und das zeugt jetzt wirklich von meiner moralisch-ethischen Größe, denn nach dem letzten Samstag verzeihe ich ihm eigentlich gar nix mehr (aber so sind Fußballfans halt: edel in Einfalt).

Ich möchte besinnlich schließen, lieber Maik-Martin. Ich las heute morgen, daß sie in Südafrika einen Test gemacht haben, um herauszufinden, was schneller Daten transportiert: eine Brieftaube oder eine Internetverbindung des Marktführers. Wenn ich die Fakten recht in Erinnerung habe, ging es um eine Datenmenge, die auf einen USB-Stick paßt, und diese Daten mußten 80 Kilometer überbrücken. Die Brieftaube flog diese Strecke (mit USB-Stick um den Hals) in zwei Stunden. Als sie ankam, waren gerade mal 4 % der Daten elektronisch übermittelt, und der Computer am Zielort lud noch munter weiter.

Ich diskutiere hier weniger, was das für die Weltmeisterschaft nächstes Jahr bedeutet (ist eh klar: sattelt die Pferde, wenn Ihr den Ort wechseln wollt). Nein, mich erinnerte das an Hoffenheim und Mönchengladbach, denn altehrwürdige Qualität setzt sich eben doch gegen modischen Schnickschnack durch. Und so träume ich davon, daß Washington, Jefferson und Nixon (oder wie die brasilianischen Stürmer von Hoffenheim auch heißen mögen) noch munter am Laden sind, während Neuville und Friend bereits alles ins Ziel geballert haben. Getreu dem Motto: Wir sind erst tot, wenn Ihr uns begraben habt, und vielleicht selbst dann noch nicht.

Es grüßt von Gruft zu Gruft
Dein Joachim

1 Kommentar:

Anonyma hat gesagt…

Ich fürchte, mit A-Jan ist Aserbaidschan gemeint, lieber Maik...