Donnerstag, 6. November 2008

seitenwechsel #68

Wie jede Woche haben wir uns auch diese Woche mit den lieben Kollegen von Seitenwahl einen unserer Brand-, Schmäh- oder Liebesbriefe geschrieben. Die letzten Tage haben Joachim und seinem Tisch arg zugesetzt. Martin gießt fröhlich Öl ins Feuer – natürlich auf Seitenwahl.

Lieber Martin,

hat das Betrachten von Fußballspielen eigentlich etwas mit Spaß zu tun? Und sollte es das überhaupt? Entschuldige, daß ich so mit der Tür ins Haus falle (aber gegrüßt habe ich Dich wenigstens, siehe oben), doch diese Fragen beschäftigen mich momentan. Da habe ich mir am Sonntag gedacht, es ist sowieso so viel zu tun, da kannst Du mal richtig arbeiten, abends guckst Du dann erst das Formel 1-Finale und anschließend auf Fohlen-TV das Spiel gegen Frankfurt und hast Spaß. Darauf habe ich mich doch tatsächlich gefreut (ich Depp). Ich schaue also Formel 1 und denke: Hammer! Es war zwar dumm, daß ausgerechnet dieser Kurvenabschneider am Ende noch Weltmeister wurde, aber die Dramatik davor war aller Ehren wert. Ja, und dann bewegte ich mich immer noch vorfreudig und zudem inzwischen leicht euphorisiert die drei Meter fünfzig zu meinem PC, darauf hoffend, daß ich nicht wieder wie kurz vor dem 1:0 gegen den KSC in Schlaf falle (da war ich im Stadion, aber das hat mich leider am Einschlafen nicht gehindert; auf einmal sagte mein Nachbar „Tor!“, ich konnte nur antworten „Hä?“, Zeitlupe gab’s vor Ort auch nicht, scheiße alles). Und dann das. DAS!

Da gehen wir früh in Führung, endlich einmal, und Du denkst, nun kommt da Ruhe rein, und vier Minuten später diese Ansammlung von Fehlern, erst dieser hochnotpeinliche Einwurf, dann die Aneinanderreihung von Slalomstangen, schließlich ein Torwart, der diesen Ball durchaus nicht halten muß, aber auch mal darf. Da kriege ich schon Ausschlag. Dann, es steht ja immerhin 1:1, dieses zunehmend hühnerhafte Panikspiel vor der eigenen Abwehr, wo schon jeder zweite Ball hängenbleibt, und was dann nach vorne geht, verliert sich entweder irgendwo im Mittelfeld oder spätestens zwanzig Meter vor dem gegnerischen Tor, wo jeder nur zu denken scheint, er muß noch drei Gegner ausspielen, anstatt mal den einfachen Ball zum Mitspieler fünf Meter daneben zu wählen oder gar – hört, hört – nach außen zu spielen. DAS soll Spaß machen? Denen auf dem Feld macht es ja schon keinen Spaß. Wie soll es dann mir Spaß machen?

Ich weiß, daß Du mir jetzt vermutlich mit dem Hinweis auf fernöstliche Weisheit oder weitere mir unbekannte Klampfenheinis aus den 60ern klarmachen wirst, daß ich mich nicht so anstellen soll, aber ich war lange genug vernünftig. Martin, bitte, ich brauche Punkte, dringend. Nicht ein, nicht zwei, nein, gleich drei oder am besten vier (einen für die Tordifferenz extra, haha). Wenn schon nicht das, dann möchte ich wenigstens, daß irgendwer in Frankfurt und Cottbus Bilanzen gefälscht hat. Zwangsabstiege, her damit. Ich stelle hiermit den Antrag, daß wir uns in 1. FC Kaiserslautern umbenennen. Dann kann der DFB wenigstens wieder mauscheln. Statt dessen kriegen wir ein Länderspiel gegen Wales. Was hilft uns denn das für die Bundesliga?

Ja, und dann muß ich auch noch hören, daß Hans Meyer mal wieder drei Spieler gedingst hat. Wie heißt das doch gleich offiziell? Gemeuchelt, abgesägt, ans Kreuz genagelt? Nein, bei borussia.de heißt das immer anders – freigestellt oder so, glaube ich. Dem Spieler frühzeitig geholfen – richtig, jetzt hab ich’s – einen neuen Job zu finden. Weißt Du, Martin, ich will das gar nicht inhaltlich beurteilen. Zwar gibt es da jede Menge Kandidaten im tatsächlich überdimensionierten Mittelfeld, die mir wesentlich eher als Rumpelfüßler erscheinen als die drei, die es nun erwischt hat. Aber das ist ja auch gar nicht der Grund, und so muß man es vielleicht doch dem Trainer überlassen zu erkennen, wer ein Stinkstiefel ist oder nicht. Das einzige, was mich stört – und zwar richtig – ist freilich, daß wir vor einem halben Jahr mit einem Team aufgestiegen sind, in dem angeblich alles super war, weil der Mannschaftsgeist ach so toll war und jeder für jeden gekämpft hat, und nun haben wir bereits wieder ein Sammelsurium an Einzelkämpfern, teils angeblich verbittert, teils unbedarft, der eine motzt hier, der andere da, und Besserung ist nicht in Sicht. Na, wie konnte man das denn wieder innerhalb von Rekordzeit gegen den Baum fahren? Waren die Jungs nicht oft genug gemeinsam raften oder Plätzchen backen, oder hat hier vielleicht nur jemand einen aufgeblähten Kader hingestellt, der zunehmend ohne Hierarchien auswucherte und schließlich wie ein alter Ballon geplatzt ist?

Ich lasse es vorerst hierbei. Ich könnte jetzt noch etwas zu dieser Israel-Reise sagen, aber das wäre dermaßen politisch inkorrekt, daß ich mir das für den weihrauchseligen Advent aufhebe. Ach ja, in einem dieser Schurkenstaaten wurde gestern ja tatsächlich gewählt. Interessiert mich das? Nein. Mich interessieren drei Punkte, jetzt. Spätestens in Bielefeld. Formel 1 ist fertig bis nächstes Frühjahr, als muß mein Kick vom Fußball kommen. Hans Meyer, übernehmen Sie: Drei Punkte bitte, sonst frage ich den Bonhof, ob er noch mal Trainer werden möchte. Chelsea hat ihn ja gerade wegrationalisiert…

Mit stierem Blick in den Tisch beißend und durch den Allerwertesten die „Elf vom Niederrhein“ pfeifend grüßt Dich

Dein Joachim

Keine Kommentare: