Dienstag, 27. Dezember 2005

das war einmal #5

Angelehnt an die schöne WDR-Tradition, die 'Tageschau vor 20 Jahren' zu reanimieren, weil die alten Bänder einfach zu schön sind, um sie in den Archiven vergammeln zu lassen - diese Stücke sind immerhin holde Fernsehgeschichte -, widmen auch wir vom VfLog uns in unregelmäßigen Abständen unserer Best-of-Serie.

Damit all die glücklichen Paare dieser Erde weiterhin denken, auch Streit gehöre zum Geschäft, tun wir ihnen ab und zu den Gefallen, diese Illusion aufrecht zu erhalten. Heute erinnern wir an unseren Disput um den Videobeweis. "Riposte: Basta zurück!" vom 4. März 2005:

Dummheiten lächelnd leicht ironisch tadeln, manche Kinderei wohlwollend unerwähnt gewähren lassen: Manchmal, sehr selten gilt es, dieses Gelübde zu brechen, ach, dann fühle ich die zwei Herzen in unserer einen Brust, Martin. Beim Thema 'Passives Abseits' (VfLog wird berichten) ist das der Fall, und jetzt hier. Denn diese Zeilen hier sind vor allem eins: Ein herzhaftes und überzeugtes Plädoyer für den Videobeweis im deutschen Profifußball.

In erster Linie bringen die notorischen Videobeweis-Gegner zwei Argumente ins Feld: 1) So macht man den Fußball kaputt. 2) So macht man den Fußball kaputt, weil dadurch der Fluss (und damit der vielbeschworene Charakter) des Spiels maßgeblich zerstört werde. Die zweite Begründungs-Variante hebt sich immerhin insofern von der ersten ab, als sie das weite Feld der Totschlagargumente verlassen hat.

Die Anhänger der trollingeresken ersten Variante bleiben von mir unbedacht, Fundamentalisten (rechts wie links, wie Mama und Papa immer betont haben) sind unbelehrbar - trotzdem bleiben sie natürlich gefährlich, eindrucksvoll belegt durch den von ihnen machtvoll prolongierten Fortgang der Debatte. An den Rest, an diejenigen, die mit sich reden lassen, ein paar Überlegungen:
a) Nichts dauert durch den Videobewies länger als vorher, vermutlich eher im Gegenteil: Die nervigen Proteste sich echauffierender Kicker inklusive Rudelbildung samt Folgeerscheinungen bleiben aus. Es dürfte oftmals schneller gehen, dem Schiri per Unterstützung durch den vierten Mann am Spielfeldrand auf die Sprünge zu helfen, Proteste werden abebben, Pfiffe schneller akzeptiert und das Spiel schneller fortgesetzt werden.
b) Niemand erwartet vom Videobeweis, er müsse stets wahre, zweifellos richtige, immer widerspruchsresitente Entscheidungen begründen. Dies jedoch als Gegenargument vorzubringen, ist ein wahrhaft beachtlicher Vorgang, der etwa so klingt: Der Airbag im Straßenverkehr verhindet nicht alle Verkehrstoten, deshalb bauen wir ihn gar nicht mehr ein. Der vierte Mann schaltet sich ohnehin nur dann ein, wenn die Fernsehbilder, die zwar auch nur vier bis sieben beliebige, aber dennoch oftmals eben treffendere Sichten auf die Dinge anbieten, eine endeutige Sprache sprechen. Per Sender wird dem leitenden Schiri dann ein Signal übermittelt, das ihn zwecks Rücksprache zur Mittellinie beordert. Bleibt das Signal aus, bleibt es bei der Tatsachenentscheidung des Schiris auf dem Feld, weil dem vierten Mann auch mit TV-Bildern der bessere Blick versperrt bleibt. Keine Probleme also.
c) Ein Foul in der eigenen Hälte oder falscher Einwurf am Mittelkreis bleibt weiter vollkommen unbedacht von den Korrekturen durch den vierten Mann. Es geht wirklich nur um Entscheidungen mit unmittelbarer Torgefahr. Wann die gegeben ist, könnte wiederum eingewandt werden, ist umstritten. Und genau das glaube ich nicht - darüber lässt sich nicht mal zwischen gegnerischen Mannschaften ernsthaft streiten.

Sicher wird man Details einer solchen Regelung noch genau festlegen müssen, beispielsweise was passiert und wie verfahren wird, wenn zu Unrecht eine Spielszene abgepfiffen wurde. Aber mal ehrlich: Das sind doch Kleinigkeiten.
Für mich macht sich der Fußball per Videobeweis endlich zeitgemäß das zunutze, was, wie Oskar Beck in der Welt treffend schreibt, vollkommen selbstverständlich ist: "800 Millionen Zuschauer in ca. 200 Ländern erleben das in Sachen Super Bowl fast jedes Jahr sehenden Auges", und niemand hat bisher Anlass gefunden, sich darüber zu beschweren - eher im Gegenteil.

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