Donnerstag, 7. Februar 2008

seitenwechsel #49

Auch im neuen Jahr gibt's einmal in der Woche eine Institution im VfLog: Den Seitenwechsel mit den lieben Kollegen von Seitenwahl. Seit der vergangenen Saison schreiben wir uns Brand-, Schmäh- oder Liebesbriefe - mit noch immer wachsender Leidenschaft. Heute windet sich Mike in gefühlten Wirklichkeiten, und Maik antwortet bei Seitenwahl .

Meine lieben Freunde,

schon oft nutzten wir unseren wöchentlichen Gedankenaustausch dazu, uns mit sozialwissenschaftlichen und philosophischen Fragen auseinanderzusetzen. Und schon einmal dachten wir laut über das Problem mit den Wirklichkeiten nach. Es gibt nicht nur die eine Wirklichkeit, soviel ist sicher. Ein jeder hat seine eigene Wirklichkeit. Das ist auf dem ersten Blick nicht nur verständlich, sondern auch inotwendig. Allerdings, und damit komme ich zum Kern meiner Zeilen, wird es immer dann interessant, wenn der Unterschied zwischen der (vermeintlich) realen und der gefühlten Wirklichkeit bemerkenswert deutlich ist.

Schauen wir noch einmal nach Hessen! Dass sich Roland Koch nach mehr als 12 Prozent Verlust als Wahlsieger erklärt, der einen "Regierungsauftrag" erhalten habe, ist an Chuzpe kaum zu übertreffen. Unter Beobachtern gilt Koch als durchaus intelligenter Mann, was ich angesichts der von ihm gewählten Methoden und Rhetorik, selbst in Wahlkampfzeiten, nur anzweifeln kann. In seiner Wirklichkeit ist Sieger der Wahl, die Realität wird ihn aller Voraussicht nach recht schnell einholen. Berti Vogts wiederum glaubt noch immer, er sei ein großer Trainer. Das, was sich zurzeit beim Afrika-Cup und in der nigerianischen Presse um seine Person abspielt (inklusive der Vogt´schen Reaktionen), hat eine frappierende Ähnlichkeit mit dem, was seinerzeit in Schottland geschah. Und, dazu muss man kein Experte sein, es wird recht bald das gleiche Ende finden.

Warum also diese Ausflüge? Nun, unsere VfLs starteten die Rückrunde jeweils mit einem 1:1. Doch unterschiedlicher könnten das Zustandekommen und die Auswirkungen dieses Ergebnisses kaum sein. Jos Luhukay sprach von einer "gefühlten Niederlage", sein Kollege Rekdal natürlich von einem "gefühlten Sieg". Pele Wollitz wird den Punkt in Freiburg ebenfalls als Punktgewinn "gefühlt" haben. Vielleicht könnte man bei der DFL beantragen, Extrapunkte für gefühlte Ausgänge einzuführen. Die abschließende Bewertung dessen, wer sich nach welchem Spiel wie fühlt, würde natürlich dem Fußballgott überlassen. Man könnte - siehe Koch & Vogts - diese wichtigen Dinge, die weit über das hinausgehen, was ein Menschengeist zu begreifen versteht, natürlich keinem Kleingeist überlassen. Aber so wäre der FC Schalke 04 2001 wahrscheinlich Deutscher Meister geworden, so als "gefühlter" Meister. Oder sie wären danach abgestiegen, gemessen an ihrer Gefühlslage im Moment des Andersson´schen Freistosses. Ihr seht, der Fußballgott hätte eine wahrlich schwere Aufgabe. Eines indes wäre sicher: Bielefeld, Cottbus, Duisburg oder Rostock würden, ganz egal in welcher Konstellation, mit sofortiger Wirkung in die Kreisliga verbannt.

Doch zurück zum Tagesgeschäft! Es war nicht der späte Ausgleich gegen Kaiserslautern, der Borussias Fans so irritiert(e). Es ist diese hässliche Fratze Borussias, die man im Laufe der Hinrunde vergessen glaubte und die sich im Moment des Ausgleichs wieder zeigte. Die Fratze der vergangenen Jahre, die uns Advocaat, Köppel, Marek Heinz und Craig Moore bescherte. Die Fratze, die uns jahrelang auf Auswärtstouren begleitete. Es ist dieser Unterschied zwischen der realen und der gefühlten Borussia. Wer glaubt, dass man Fans nach einer guten Halbserie (in der 2. Liga!) beruhigen könnte, irrt nunmal gewaltig. In sechs Monaten heile ich nicht die Wunden, die über Jahre entstanden sind. So schön rausgeputzt Borussia derzeit scheint: blickt sie in den Spiegel, scheint noch immer diese hässliche Fratze durch. Diese verschwinden zu lassen, wird eine Aufgabe über Jahre.
Und der VfL Osnabrück hat real einen Punkt geholt, und das nach - Ihr ahnt es schon - gefühlten tausend Auswärtsniederlagen in der Vorrunde, wie Maik schon instinktiv in seinem Spielbericht schrieb.

Abschließend teile ich Euch mit, dass sich die entzückende Maren weder real noch gefühlt gemeldet hat. Die Suche und das Bemühen gehen weiter!

Grüße aus der Wirklichkeit
Mike

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