Donnerstag, 25. März 2010

seitenwechsel #109

Nach dem Derby herrscht über Wochen Deutungsbedarf am Rhein. Was wäre besser geeignet für die ultimative Analyse als unser Muster an Kompetenzjournalismus, der Seitenwechsel. Woche für Woche brillieren wir mit unseren lieben Kollegen von Seitenwahl im Genre des philosophischen Briefwechsels. Doch diese Woche spricht Martin bei Seitenwahl übers Kino und Joachim träumt in seiner Antwort vom Leben als TV-Impressario. Mit dem Derby hat das aber trotzdem etwas zu tun.

Lieber Martin,

gerne rede ich mit Dir über Filme, zumal es mich an Zeiten erinnert, als es noch kein Internet gab und ich jung war. Als ich beispielsweise bis kurz vor Start der Kinovorführung zitterte, ob die Mindestzahl von drei Zuschauern zusammenkommen würde, damit im Programmkino „In China fällt ein Reissack um“ in der Originalsprache mit aramäischen Untertiteln gezeigt würde. Einmal, ein einziges Mal, wurde mir diese Qual erlassen, und ich hatte einen ganzen Kinosaal für mich allein. Herrlich! Störend war nur, daß mitten im Film die Putzfrau erschien und damit begann, ihre Sachen aufzuräumen. Das störte die Atmosphäre doch empfindlich.

Ähnlich gestört fühltest Du Dich durch das Unentschieden in Köln. Das ist nachvollziehbar, doch ich finde es weniger furchtbar, zumal es mir erläßt, jetzt hier voller Zorn im Karree zu titschen. Natürlich bin ich nicht zufrieden, zumal wir in der Rückrunde weniger Punkte geholt haben als Hertha BSC. Andererseits ist der komplette Absturz vermieden, und ich sehe wieder mit Hoffnung auf das Spiel gegen den HSV. Bundesligafußball ist eben etwas anderes als zum Beispiel Pokal und verlangt einen langen Atem: eher eine Serie als ein Spielfilm, um in Deinem Bild zu bleiben.

Tatsächlich beginne ich mich am Gedanken zu erwärmen, Borussia könne eine Daily Soap um das Geschick des Vereins entwickeln. Über den Titel denke ich noch nach. „Schlechte Zeiten, sehr schlechte Zeiten“ heben wir für den ÄffZeh auf. „Die Schuldenberatung“ trifft auf die falsche Borussia zu, und „Theo gegen den Rest der Welt“ ist sowieso vergeben. Die „Bökelberger“ klingt eher nach Fred Feuerstein und ist von den Ereignissen überholt, „Einsatz am Mordpark“ wirkt hingegen zu reißerisch. Ich plädiere daher vorläufig für „Geschäftsstelle Hennes-Weisweiler-Allee“ und bereite mal ein paar Drehbücher vor. Das erste beginnt damit, daß Bobadilla morgens vergeblich seinen Stiel sucht und dabei durch ein Fenster im dritten Stock fällt. Glücklicherweise steht unten Rainer Calmund und… (wer mir die Rechte abkaufen will, mailt an dagobert-duck-productions@entenhausen.euro).

Tja, lieber Martin, derzeit wird es also noch nichts aus unserer zweimonatigen Wanderung durch den Schwarzwald. Erstens bin ich gerade brutal kreativ, und zweitens hat mich diese Woche ein Kollege provoziert, der Fan von Eintracht Frankfurt ist – sagte er doch glatt zu mir, daß wir in dieser Saison keine direkten Konkurrenten seien. Ich habe ihn nur deshalb nicht erschlagen, weil wir zusammen in einer wichtigen Sitzung saßen und er stärker ist als ich. Ich bitte Dich, Martin, was sind schon sieben Punkte? Wenn die Griechen einfach sagen können, was sind schon ein paar hundert Milliarden Euro, dann sage ich: Rechnerisch schreiben wir das internationale Geschäft noch nicht ab. Und Frankfurt packen wir sowieso. Wenn nicht jetzt, dann gleich, ganz im Geiste unserer unendlichen Fernsehserie: Irgendwann stehen wir vor Frankfurt. Und vor den Bayern. Und vor Rosenkohl Montevideo. Und dann sind wir da, wo wir hingehören. Die Drehbücher für die paar tausend Folgen bis dahin kriegen wir hier doch locker voll, was, Martin?

Es grüßt Dich, voller Verwunderung, daß mein Sprachkontrollprogramm das Wort „Reissack“ als Fehler markiert und mir als gültige Alternativen „Reisesack“, „Reis sack“ und „Reiz sack“ anzeigt (hat da jemand einen Clown gefrühstückt?),

Dein Joachim

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