Sonntag, 16. September 2012

total schwierig

Drei Spieltage ist die neue Bundesligasaison nun alt, was zumindest eine halbwegs angemessene Frist ist, um eine erste Beurteilung des Stands der Dinge wagen zu können. Für den VfL waren es drei Spiele, bei denen alles dabei war: Sieg, Unentschieden, Niederlage – leider genau in dieser Reihenfolge. Außerdem gab es die Championsleague-Pleite daheim gegen Kiew und den beeindruckenden Auswärtssieg, der jedoch nicht für ein Weiterkommen reichte.

Welche Schlüsse lassen sich nun aus diesem bisherigen Saisonverlauf ziehen? Nun, sie wird total schwierig. Dieses Mantra gilt in der Ära Favre für jedes Spiel und für jede Saison. Das verhängnisvolle ist allein, dass einige entertainisierte Fans und Medienvertreter es nicht akzeptieren können, dass der Satz "es wird total schwierig" keine Phrase ist, sondern Woche für Woche richtig ist und auch als Saisonbeschreibung Gültigkeit hat.

Vorletzte Saison fast abgestiegen, letzte Saison Platz vier, das macht für diese Saison -- Moment, ich muss kurz rechnen -- mindestens Platz -7! Das heißt, wir landen mathematisch sieben Plätze VOR dem deutschen Meister! Hurrah!

So scheinen einige Fans zu rechnen, und diese völlig hanebüchene Haltung nutzen gerade die Boulevardblätter, um daraus Auflage zu schlagen. "Es wird schwierig" ist vielleicht einmal eine gute Schlagzeile, aber nicht Woche um Woche. Wenn man es aber erst einmal geschafft hat, eine vollkommen unrealistische Messlatte zu etablieren, dann kann man daraus täglich Profit schlagen mit alarmistischen Berichten, dass Gladbach nicht im Soll ist. Ein teurer Einkauf, der in den ersten Spielen keine Tore schießt? Wir zählen die Minuten! Ein junger Spieler der sagt, er möchte gerne Champions League spielen? Wir berichten über einen Konflikt zwischen Spieler und Trainern! Ein Trainer der eingesteht, noch nicht das beste System gefunden zu haben? Wir berichten über eine verfehlte Einkaufspolitik!

Erst jetzt, wo nach der Euphoriewelle der letzten rund 18 Monate wieder so etwas wie Alltag einkehrt, wird richtig deutlich, wie angenehm das Ausbleiben der stupiden und erwartbaren Presseberichterstattung in jener Zeit war. Wieviel bullshit uns erspart geblieben ist. Doch so konnte es wohl nicht immer bleiben.

Nüchtern betrachtet, läuft es in Gladbach derzeit ziemlich genau so, wie man es erwarten durfte: Gladbach ist im DFB-Pokal eine Runde weiter und hat damit eine gar nicht so leichte Aufgabe gut bewältigt. Gladbach spielt Europa League, und damit wohl genau in den Regionen, in denen sie sportlich derzeit realistisch stehen und in denen sie auf das eine oder andere Erfolgserlebnis im Saisonverlauf hoffen können, anstatt sich mehrheitlich lehrreiche, aber doch deprimierende Championsleague-Erfahrungen zu holen. In der Bundesliga hat man besonders gesehen, dass die Mannschaft noch ihr System sucht, aber auch, dass es ihr von Spiel zu Spiel besser gelingt, so etwas wie ein offensives Mannschaftsspiel neu zu etablieren. Dass Nürnbergspiel ist hier in vielerlei Hinsicht bezeichnend, denn es hat die Stärken wie die Unzulänglichkeiten des Teams zum aktuellen Zeitpunkt aufgezeigt: Klar ist, dass die Mannschaft -- anders als beispielsweise die Kollegen aus Hoffenheim -- als Mannschaft intakt und charakterlich stark ist. Sie hat sich beeindruckend nach dem mindestens in dieser Höhe völlig unverdienten 0:2 zurückgekämpft. Sie war in der Lage, gegen gute und kompakte Nürnberger 2 Tore zu erzwingen, und diese erstmals auch durch die sich immer besser integrierenden neuen Spieler. Sie war aber auch -- wie schon in krasser Weise gegen Kiew daheim -- noch nicht eingespielt, abgebrüht und sicher genug, um in entscheidenden Spielphasen clever zu agieren, in der Verteidigung weniger Fehler zu produzieren. Wenn es dann schlecht läuft, verliert man 2:3. Mit etwas Glück wäre ein Sieg denkbar, fair wäre wohl am Ende eine Punkteteilung gewesen. Wenn Gladbach so weiter macht, muss einem -- gemessen an realistischen Erwartungen -- nicht Bange sein: die Mannschaft scheint auf einem guten Weg zu sein.

Sorgen macht uns nur, dass solche nüchternen Betrachtungen zwar keinen Seltenheitswert haben -- sie werden von der Vereinsführung, von Favre, Eberl, Meyer und auch von vielen Fans immer wieder wiederholt --, dass sie aber doch wenig Widerhall finden im Mediengebläse um Borussia. Da werden die Minutenzähler, die Championsleagueforderer, die Einkaufsummenberechner immer wieder wie Fettaugen an die Oberfläche einer Brühe gespült.

Für uns folgt daraus eins: weniger lesen, weniger hören, weniger schauen. Was zählt, ist auf dem Platz und dort werden wir uns weiter unsere Meinung bilden. Und ab sofort wieder regelmäßig auf dem VfLog darüber schreiben.

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