Donnerstag, 12. März 2009

seitenwechsel #77

Erst wenn der letzte Tropfen Tinte zu Papier gebracht ist, wird diese Brieffreundschaft enden. Woche für Woche schreiben sich Joachim von Seitenwahl und Martin einen Brief über die Lage der Nation, d.h. vor allem der VfLs. Zur Ablenkung spielen sie jetzt auch noch Schach, und zwar wechselweise beide Farben. In dieser Woche legt Martin mit zwei Zügen vor und ist ganz berauscht vom Erfolg, wie immer nachzulesen bei Seitenwahl. Joachim legt hier nach, ebenfalls voll auf Droge.

Lieber Martin,

ich sehe, Du kannst mit Erfolg nicht umgehen. Tröste Dich: Dein Verein sorgt für Dich. Sportlicher Erfolg in homöopathischen Dosen, so scheint seit Jahrzehnten das langfristige Ziel der Marke Borussia zu lauten. In diesem Zusammenhang fällt mir wieder die Frage ein, wann endlich der Stadionname vermarket wird. „Placebo-Zäpfchen“ wäre originell, wobei hier noch Raum wäre, den Namen eines zahlungskräftigen Generika-Herstellers anzufügen.

Doch spotten wir nicht, denn tatsächlich scheint derzeit in zweierlei Hinsicht die Sonne über dem Placebo-Zäpfchen. Zum einen lese ich, daß der Verein im letzten Geschäftsjahr den zehnthöchsten Umsatz aller derzeitigen Erstligisten hatte (und dies in der Zweiten Liga), aber den zweithöchsten Gewinn (nach Schalke 04, höhö, Schalke ist eine Bank und wird bekanntlich derzeit abgewickelt). Kein Wunder, daß man im Winter nachlegen konnte und dabei finanziell nicht zimperlich war. Frage Sport/Voetbalmagazine an Logan Bailly: „Du machst kein Geheimnis daraus, daß das Gehalt [beim Wechsel; Anm. d. Verf.] auch eine Rolle spielte. Was müssen wir uns darunter vorstellen? Doppelt soviel wie bei Genk?“. Antwort Logan Bailly: „Ein Vielfaches. Nicht zu vergleichen. Man erwartet immer, daß in einer bedeutenderen Liga viel mehr bezahlt wird, aber an den Betrag, den ich hier nun verdiene, hatte ich doch zumindest anfangs nicht gedacht.“

Wie darf man sich also solche Gehaltsverhandlungen vorstellen? Wie beim Bäcker kurz vor fünf? „Nehmen Se für umsonst noch zwei Schrippen extra, kriegt sonst sowieso nur der Penner, der um eins nach fünf immer umme Ecke guckt.“ Mir könnte es ja egal sein, zumal mein Präsident (nein, nicht der Köhler) zu versichern scheint, daß wir auch zeitens der Krise besser als der Durchschnitt der anderen aufgestellt sind – wäre da nicht der Dante, dieser Hund, den ich immer noch nicht auf dem Feld gesehen habe. Das macht mich mißtrauisch. Ist der Dante etwa eine Briefkastenfirma? Oder im wörtlichen Sinne der Hund vom Bailly? Hat dessen Vater, der die Verhandlungen geführt hat, einfach nur in schlechtem Deutsch gesagt: „Da iss noch die Sache mit dem Dante…“ (gemeint hat er den Hund vom Bailly, der jeden Tag in der Sportsbar seinen Napf mit Hundekuchen braucht), und Borussias Kompetenzteam hat gleich geantwortet: „Bring ihn mit, wir legen noch mal dasselbe für den drauf, Hauptsache, er hat einen linken Fuß.“ Nun ja, den hat er wohl, der Dante, und er hebt ihn sogar manchmal, wenn er pinkeln muß.

Das zweite, was mich zufrieden sein läßt, ist die Art und Weise, wie der Sieg gegen den HSV herausgespielt wurde. Ich bin geradezu euphorisch, daß es nun nach Köln geht, denn gewinnen wir da (wer zweifelt hier???), schweben wir ganz hoch auf der rosa Wolke: Abstiegsplatz ade, und peace forever, weil Köln sich davon nicht mehr erholt und noch absteigt. Nein, echt. Weißt Du, Martin, Du und ich, wir sind doch viel realistischer als die Kölner. Hätten die 4:1 gegen Hamburg gewonnen, würden sie von der sofortigen Meisterschaft träumen. Wir träumen nicht, weil wir wissen, daß wir erst 2010 oder 2011 Meister werden (nullzehn-nullelf, es gibt hier noch keine Richtline, aber ich habe Deine Anregung aufgenommen). Man muß halt realistisch sein, gerade als Rheinländer und gerade in der Fußballbranche.

Bleiben nur noch die Springer. Du hast natürlich recht; ich antworte Dir a6, woraufhin Du also in die Abtauschvariante flüchtest: Lb5xc6. Ich setze Dir dann naturgemäß d7xc6 entgegen und warte auf Deine kleine Rochade. Ich behalte somit alle Fäden in der Hand: Mein Läuferpaar regiert, einen Springer haben wir schon ausgeschaltet, und mindestens ein Remis habe ich praktisch sicher. Am Samstag reicht das aber nicht.

Mut zum Größenwahn, und sei er nur auf Basis von Placebos,

Dein Joachim

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