Freitag, 13. Februar 2009

live von woanders: hoffe

Als VfL-Fan gibt es derzeit zwei Möglichkeiten, wenn man ins Stadion geht: Entweder man schaut sich ein Spiel zum Mitfiebern an, ein Spiel, das die eigene Leidenschaft in Wallung bringt. Oder man sieht sich ein gutes Fußballspiel an. Das ist dann eins, an dem Gladbach nicht beteiligt ist. In der Regel ist das unterhaltsamer als die Spiele der Fohlen, die einen zwar emotional ganz fordern, aber doch vor allem die russische Tiefe der eigenen Seele ausloten, und nur seltener, viel seltener die positiven Potentiale der eigenen Affekte ausreizen.

Nun spielte also knappe 90 Minuten vor meiner Haustür Hoffenheim gegen Leverkusen. Ein neues Stadion, die derzeit attraktivsten Mannschaften der Liga: Da muss man hin! Also warm eingepackt angesichts von Schnnegestöber und kaltem Wind und auf nach Hoffen- bzw. Sinsheim, wo das neue, schnieke Stadion steht. Der Fußweg vom Bahnhof führt durch ein feines Industriegebiet mit einer Reihe von abwrackprämiengeförderten Autohäusern und Supermärkten, ja sogar vorbei an der Sinsheimer Messe (mit einem Messeturm, der subtil an den Schornstein eines Krematoriums gemahnt) bevor sich schließlich der Blick auf das feierlich angestrahlte neue Stadion auftut. Die Wegeführung mag noch verbesserungswürdig sein, doch die 30000er-Arena selbst hat ihren sehr eigenen Reiz, nicht zuletzt durch die steilen Ränge, die Gladbacher in Erinnerung an die Gegengerade des Bökelbergs seufzen lassen.

Bevor das Spiel losgeht, versucht man sich auch in Hoffenheim natürlich an einem Rahmenprogramm, zu der seit der Rückrunde auch ein neues Vereinslied gehört. Viel lässt sich über diesen Song nicht sagen, jedenfalls nicht mehr als die Kollegen von 11Freunde oder Volker Dieckmann auf seinem Blog gesagt haben:
Hoffe(n) wir, dass der VfL Osnabrück niemals auf die Idee kommen wird bei einem eventuellen Heimspiel gegen Hoffenheim (in welcher Liga oder Pokal auch immer) dieses Lied an der Bremer Brücke zu spielen.

Der Refrain allein geht so:

Hoffe, Hoffe! Wir sind Hoffe!
1899 Hoffenheim.
Wir kämpfen, siegen, geben niemals auf,
super Hoffe TSG!
Hoffe, Hoffe! Wir sind Hoffe!
In den Farben Blau und Weiß
1899 Superhoffenheim
Nur damit es jeder weiß!

Das quittieren die überraschend stimmungvollen Leverkusen-Fans (von denen einige hundert in Karnevalskostümen angereist sind): "Ihr macht Euch lächerlich, Ihr macht Euch lächerlich!" Und haben, sorry Hoffe, recht.

All der bemühte Budenzauber ohne Ball ist nach dem Anpfiff schnell vergessen. Nach Sekunden stellt der VfL-Fan neidisch fest: Hier sind zwei Mannschaften auf dem Platz, die beide Fußball spielen können und Fußball spielen wollen. Bei Gladbach mangelt es stets an mindestens einer dieser Aspekte, oft ist nicht ganz klar an welchem. Ganz anders hier: Kaum hat ein Team den Ball, geht es nach vorne. Und das passiert so schnell und schön und effizient, dass in der dritten Minute schon das erste Tor fällt.

Hoffenheim ist verdattert, dass hier ein Team bei den heimstarken Baden(s)ern selbstbewusst und offensiv auftritt. Doch der erste Schock ist schnell verarbeitet und beide Teams bieten nun eine Halbzeit lang ein Spiel, das alle Vorurteile gegen deutschen Fußball und die Bundesliga widerlegen kann. Zur Halbzeit steht es -- dank eines gleichermaßen pfiffigen wie mittlerweile wohlbekannten Freistoßtricks der Leverkusener -- 3:1 für Bayer und neben vier Toren gab es viele weitere Anlässe, als emotional ungebundener Zuschauer mit der Zunge zu schnalzen.

Die zweite Halbzweit beginnt wie die erste: Mit einem schnellen Tor für Leverkusen. Das ist der Punkt, an dem Hoffenheim einbricht, und erst der nächste Spieltag wird zeigen, ob die Moral der bisher so erfolgreichen Aufsteiger nur für 45 Minuten gebrochen wurde oder gar für die gesamte Rückrunde. Denn nach dem 4:1 verging den Rangnick-Kickern der Spielspaß, in der Folge fehlten die Ideen und aus Kreativität wurde eine Gummi-Brechstange. Leverkusen spielte ohne großen weiteren Kraftaufwand souverän. Wo es Chancen für Angriffe gab, nutzte man sie (allein das hochverdiente fünfte oder gar sechste Tor gelang nicht mehr), aber mehr als nötig tat die sich inzwischen selbst stolz als "Werkself" apostrophierende Mannschaft nicht mehr. Als um die 85. Minute der Schnee wieder einsetzte,verließen die ersten Fans die Ränge und verpassten in der Folge auch nichts mehr.

Was bleibt? Ein mehr als unterhaltsamer Ausflug in ein schönes Stadion und das Live-Flutlicht-Erlebnis eines der wohl besten Spiele, die ich seit langem gesehen habe. Vielleicht sollte man öfter mal Matches ohne Gladbach ansehen.

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